Über ihr Äußeres
Linde an einem Feldweg © Gabriele Hanke
Mittelpunkt der Gesellschaft
Die Kaditzer Linde ist der älteste Baum in Dresden (schätzungsweise 800 bis 1.000 Jahren alt) © Gabriele Hanke
Tanzlinde in Limmersdorf bei Kulmbach © Benreis, Limmersdorf Tanzlinde 2014 (4), CC BY-SA 4.0
Erstaunliche Lebenskraft
Neben der guten Schnittverträglichkeit kommt der Linde hier ebenfalls ihre außergewöhnliche Vitalität zugute. Sind die Lichtverhältnisse optimal, treibt sie zweimal im Jahr4. Ihr Drang zu wachsen sorgt dafür, dass am Stamm und sogar aus der Wurzel immer wieder neue Zweige sprießen. Selbst ein komplett gefällter Baum – ein auf den Stock gesetzter – wird innerhalb kurzer Zeit „zu neuem Leben erwachen“. Linden vermehren sich daher nicht nur über ihre Samen, sondern auch auf vegetative Art. Diese enorme Energie ist eine der Ursachen, warum sie ein biblisches Alter erreichen können. Zum anderen bildet die Linde, da ihr Holz schnell fault, im Innern hohler Stämme Adventivwurzeln5, welche sich, gleich Luftwurzeln, aus dem gesunden Holz nach unten ausbreiten, im Erdreich verwurzeln und dem Ganzen neuen Halt geben.
Die Besonderheit des Holzes
Thronende Madonna mit Kind, sog. Tittmoninger Madonna, Salzburg, ca. 1430–35, Lindenholz, Salzburg Museum © Wikimedia Commons, gemeinfrei
Erwähnenswert ist ebenso die verhältnismäßig hohe Menge an Bast, die aus der Baumrinde gewonnen werden kann. Diese zähen, flexiblen Pflanzenfasern wurden vielseitig genutzt als Seile und Stricke, für Körbe, Schuhe, Matten und in frühesten Zeiten sogar verarbeitet zu Kleidung und Schutzschilden.
Zum Auftreten
Damit waren Linden über einen langen Zeitraum gefragte Bäume. In Nachbarschaft zu den im Mittelalter (und weit darüber hinaus) ebenfalls nachgefragten Eichen gedeihen sie auf frischen, tiefgründigen, kalkreichen Böden gut, wobei die Sommerlinde als anspruchsvoller beschrieben wird. Ihren Namen haben sie entsprechend ihrer unterschiedlich ausgeprägten Toleranz gegenüber Kälte bzw. Wärme zu verdanken. Während Tilia platyphyllos bis Zentralspanien, Süditalien und im Südosten bis zum Kaukasus vorstößt, Skandinavien hingegen meidet, kommt Tilia cordata mit weniger Wärme zurecht und breitet sich über England, Südnorwegen und -schweden bis zu den russischen Steppengebieten aus7. Beide heimische Arten gehören zu den Halbschatten-Baumarten und sind auch von Fachkundigen oft nur schwer zu unterscheiden, da sie sich im Aussehen stark ähneln, regionale Varianten ausbilden und die durch Kreuzung entstandenen Nachkommen sich wiederum vermehren. Lindenblüte © Gabriele Hanke
Die Heilpflanze
Auch bezüglich ihrer pharmakologisch relevanten Inhaltsstoffe gleichen sich Sommer- und Winterlinde so, dass die Europäische Arzneimittelagentur eine Monografie für beide gemeinsam herausgegeben hat8. Diese beschreibt die Blüten inklusive ihrer Stiele und des angewachsenen pergamentartigen Flugblattes als Arzneidroge. Noch Anfang der 90er-Jahre führte die Kommission E des BfArM Monografien zu Lindenblättern, -holz und -holzkohle, allerdings bereits mit dem Hinweis, dass „die Wirksamkeit bei den beanspruchten Anwendungsgebieten […] nicht belegt“ sei9. Es wäre interessant, durch wissenschaftliche Studien die jahrhundertelange Anwendung bei Schnupfen, Husten, grippalen Infekten, Appetitlosigkeit, Darmentzündungen, aber auch Kopfschmerz, Schlaflosigkeit, Ischiasbeschwerden, Rheuma und anderen Beschwerden mehr verifizieren zu können. Bekannt sind bisher um die 60 verschiedene Inhaltsstoffe10. Der hohe Gehalt an Flavonoiden und deren Glykosiden, an ätherischen Ölen sowie von Schleim- und Gerbstoffen gilt als Ursache für die Wirksamkeit bei fieberhaften Erkältungen, Husten und Katarrhen der oberen Atemwege. Die beruhigenden, krampf- und schleimlösenden, leicht blutdrucksenkenden und entzündungshemmenden Effekte haben mit Sicherheit auch an anderen Stellen Einfluss auf unsere Gesundheit. Dabei muss betont werden, dass die Linde – ganz ihrem Wesen entsprechend – zu den Pflanzen zählt, welche nicht prompt und heftig anschlagen. Sie lindert Beschwerden sanft und behutsam, sodass sie vorrangig in Kombination mit anderen Pflanzen oder vorbeugend zur allgemeinen Vitalisierung genutzt wird.
Lindenallee © Gabriele Hanke
Von ausgezeichneter Art
Bereits 1991 wurde die Sommerlinde zum „Baum des Jahres“ ernannt, einer der ersten überhaupt. 2016 folgte die Winterlinde11. Mit der Kür zur „Heilpflanze des Jahres“ 202512 will der NHV Theophrastus e. V. aufmerksam machen auf eine Heilpflanze der – trotz ihrer Größe – eher unscheinbaren Art. Als Straßen- und Parkbaum ist sie durchaus präsent, ebenso in unserer Kultur, denken wir beispielsweise an die vielen Liedtexte und Gedichte. Beinahe schon überladen wirkt sie auf den, der sie unter mythologischen und symbolischen Aspekten betrachtet. Im Wald gehört sie jedoch zu den dienenden Arten. An Bodenverhältnisse und Klimaveränderungen passt sie sich gut an. Sanftheit und Unaufdringlichkeit sind so eng mit ihr verknüpft, dass sie sich in ihrem Namen spiegeln. Ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften geraten aufgrund sehr ähnlicher und stärkerer Wirkungen anderer Pflanzen (wie dem Holunder) in Vergessenheit. Dabei hat sie den Menschen schon immer auch auf der emotionalen Ebene angesprochen und sollte daher – gerade auch in Bezug auf ihre nervenstärkenden Eigenschaften und ihr verbindendes Wesen – wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Schließlich setzt die Linde unserer Hektik Ruhe entgegen und lässt uns freier atmen.
NHV Theophrastus, November 2024
Literatur:
https://www.paracelsus.de/magazin/ausgabe/202302/unsere-heilpflanze-5 vom 07.02.2024
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http://www.sdw-schluechtern.de/infodoc/linde1.pdf vom 23.10.2024↩
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https://tanzlindenmuseum.de/tanzlinde/ vom 23.10.2024↩
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https://neue-natur.klassik-stiftung.de/chapter/die-schnecke vom 23.10.2024↩
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https://www.uni-goettingen.de/de/allgemeines+zur+biologie%2c+%c3%96kologie+und+morphologie/41752.html vom 08.10.2024↩
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https://www.uni-goettingen.de/de/regenerationsf%c3%a4higkeit/41757.html vom 08.10.2024↩
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http://baum-des-jahres.ternum-dev.de/wp-content/uploads/2020/10/2016_Winterlinde-1.pdf vom 23.10.2024↩
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https://www.uni-goettingen.de/de/derzeitige+verbreitung/41681.html vom 23.10.2024↩
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https://www.ema.europa.eu/en/documents/herbal-report/final-assessment-report-tilia-cordata-miller-tilia-platyphyllos-scop-tilia-x-vulgaris-heyne-or-their-mixtures-flos-first-version_en.pdf vom 23.10.2024↩
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https://www.heilpflanzen-welt.de/tiliae-folium-lindenblaetter/, https://www.heilpflanzen-welt.de/tiliae-carbo-lindenholzkohle/, https://www.heilpflanzen-welt.de/tiliae-lignum-lindenholz/ alle vom 22.05.2024↩
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https://www.lwf.bayern.de/mam/cms04/wissenstransfer/dateien/w78_die_linde_ein_bewaehrter_heilmittellieferant.pdf vom 24.10.2024↩
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https://baum-des-jahres.de/baeume-seit-1989/ vom 30.10.2024↩
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https://www.nhv-theophrastus.de/pressemitteilung-linde-ist-heilpflanze-des-jahres-2025 vom 30.10.2024↩