Was ist Fasten?
Das Fasten ist ein bewusster Verzicht auf Nahrung oder Nahrungsanteile für einen begrenzten Zeitraum (z. B. Saftfasten, Rohkostfasten). Richtig durchgeführtes Fasten bedeutet jedoch kein Hungern. Es ist auch keine Methode zum Abnehmen, sondern eine Art „Entrümpelung“ für Körper und Seele, damit sich der Geist besser entfalten kann.
Geschichte
In den vielen Jahrtausenden der Menschheitsentwicklung hat es unser Organismus geschafft, sich auf Zeiten des Nahrungsmangels einzustellen. Menschen litten unter Hunger nach Naturkatastrophen, in Kriegen oder wenn im Frühjahr ihre Vorräte zur Neige gingen. Diese Not nutzte der Organismus im positiven Sinne für einen „Frühjahrsputz“.
Die Erkenntnis, dass während der Nahrungskarenz auch besondere seelische Prozesse stattfinden, die neben der körperlichen auch zur seelisch-geistigen Reinigung führen und damit die Nähe Gottes leichter erfahrbar machen, nutzten die Religionen. Seitdem beinhalten alle großen Religionen das kultische Fasten in ihren Ritualen.
Das Fasten wurde bei den Sumerern (2200 v. Chr.) und den Ägyptern (ca. 1500 v. Chr.) schon erwähnt.
Auch bei den Griechen finden sich sehr früh Hinweise auf Fastenpraktiken sowohl aus kultischen wie auch medizinischen Gründen. Hippokrates (ca. 460–370 v. Chr.) wird der Satz zugeschrieben:
„Wer stark, gesund und jung bleiben will, sei mäßig, übe den Körper, atme reine Luft und heile sein Weh eher durch Fasten als durch Medikamente.“
Wie im griechischen und römischen Kulturkreis finden sich im Judentum zahlreiche Fastenbräuche und Fastenvorschriften.
„Aus dem Judentum übernahmen die Christen die asketische Übung des Fastens.“1
Für die orthodoxen Kirchen des Ostens gehören ebenso wie für die römisch-katholische Kirche Fastenzeiten (Advent, Passionszeit) zu den wichtigen Bestandteilen des Kirchenjahres. Auch in Deutschland haben beide Fastenzeiten eine lange Tradition.
Im Islam ist Fasten eine der grundlegenden sieben religiösen Pflichten. Während des Mondmonats Ramadan fasten gläubige Muslime von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang.
In der Neuzeit nahm in breiten Bevölkerungskreisen die Bedeutung des herkömmlichen religiös-kultischen Fastens zu Gunsten des therapeutischen Fastens erheblich ab.
Als therapeutisches Behandlungsverfahren wurde das Fasten im 19./20. Jahrhundert neu entdeckt, zunächst von den amerikanischen Ärzten Dr. Edward Dewey und Dr. Tanner. In Deutschland führten die Ärzte Dr. Möller, Dr. Riedlin und Dr. Kapferer das Heilfasten wieder ein und von da ab entwickelten viele Naturheilkundige ihre eigenen Fastentherapien. Mit der Veröffentlichung des Buches „Heilfasten“ von Dr. Otto Buchinger gewann das Fasten weiter an Bekanntheit.
Meist wurde das Fasten von der wissenschaftlichen Medizin abgelehnt. Jedoch bewiesen in den 1930iger Jahren Dr. L. R. Grote als Schulmediziner und Dr. Alfred Brauchle als Naturarzt in guter Zusammenarbeit, dass das Fasten einen großen therapeutischen Wert hat und auch schulmedizinische Beachtung verdient. Dr. Brauchle betonte dazu:
„Während der 9 Jahre meiner Tätigkeit an einem großen Krankenhaus der Stadt Dresden habe ich … feststellen können, dass die Fastenkur mit zu den großartigsten Mitteln gehört, die Gewebe zu reinigen und die verloren gegangene Gesundheit wiederzugewinnen.“2
Motive für das Fasten
Die Motive, warum gefastet wird, können sehr unterschiedlich sein: aus religiösen, spirituellen, rein persönlichen und heute vor allem aus medizinisch-therapeutischen Gründen.
Auch in der Gesundheitsvorsorge gewinnt das Fasten an Bedeutung. Gegenwärtig leidet bereits ein Teil der Bevölkerung an den Folgen des materiellen Überflusses, d. h. sogenannte „Zivilisationskrankheiten“ können entstehen. Um solche Überflusserscheinungen abzufangen, bevor Krankheiten entstehen, ist das Fasten ebenfalls sinnvoll und hat dann einen präventiven Charakter.
Fastenformen
Mittlerweile haben sich viele Fastenformen entwickelt:
Fasten ausschließlich mit Getränken, wie Wasserfasten oder Teefasten (ohne Honig)
Fasten mit flüssigem Nahrungsanteil, z. B. Heilfasten mit Gemüsebrühe, Tee und Säften nach Buchinger oder Lützner, Molkefasten, Saftfasten oder Schleimfasten
Fasten mit festem Nahrungsanteil, wie z. B. F. X. Mayr-Fasten, Heilfasten nach Hildegard von Bingen, Rohkostfasten
Für welche Art des Fastens man sich entscheidet, sollte am besten mit einem Therapeuten besprochen werden.
Heute sind vor allem in den 7 Wochen vor Ostern neben den verschiedenen Heilfasten-Formen auch viele Arten des „Teilfastens“ beliebt, z. B. der Verzicht auf Fleisch und Wurst, auf das abendliche Glas Alkohol oder die Süßigkeiten zwischendurch, aber auch das Einschränken bestimmter Gewohnheiten oder Annehmlichkeiten, z. B. des Fernsehens, des Rauchens, des Redens, …
Das Fasten ist eine Chance, nicht nur Ernährungsgewohnheiten auf Dauer zu ändern, sondern auch ein Umdenken in der Lebensführung anzustreben, Gewohntes aufzugeben und Neues zu beginnen.
Was man vor dem Fastenbeginn bedenken sollte
Für die Gesundheitsvorsorge reicht ein kurzfristiges Fasten (1 bis 7 Tage) aus, welches in der Regel ohne medizinische Betreuung möglich ist.
Ein Fasten aus therapeutischem Grund kann drei bis vier Wochen dauern und bedarf möglichst einer fachlichen Begleitung und Beratung. Vor allem Menschen, die dauerhaft Medikamente einnehmen, sollten generell einen erfahrenen Fastentherapeuten einbeziehen, denn die Medikamentendosis kann bzw. muss unter der Heilfasten-Therapie z. T. verändert werden. Menschen mit Untergewicht, Blutungsneigung, Diabetes oder Schilddrüsenerkrankungen beispielsweise müssen einen Therapeuten einbeziehen. Sinnvoll ist es auch, sich für das Fasten eine geschützte Umgebung zu suchen. Dazu gibt es inzwischen eine Vielzahl von Angeboten in Fastenkliniken, Klöstern oder Seminaren. Dort fällt das Fasten in einer Gruppe Gleichgesinnter auch meist leichter.
Fastenerfahrene Menschen können natürlich auch zu Hause fasten, wenn sich eine entsprechende Rückzugsmöglichkeit vom Alltagsgetriebe bietet.
Bestimmte Gruppen von Menschen sollten jedoch nicht fasten: z. B. Kinder, Schwangere und stillende Frauen, und Menschen mit bestimmten psychischen Erkrankungen.
Generell kann zu jeder Jahreszeit gefastet werden. Auf Erfahrungen beruhend ist das Fasten im Frühjahr ideal. Im Sommer zu fasten, bringt denjenigen Menschen Vorteil, die schnell frösteln und deshalb viel Wärme brauchen. Aber auch Fasten als Vorbereitung für den Winter ist sinnvoll, da man so mit weniger Ballast in die bewegungsärmere und kalorienreiche Weihnachtszeit gehen kann.
Der Einfluss des Fastens auf den Körper
Dr. Volker Schmiedel, Chefarzt der Inneren Abteilung der Habichtswaldklinik in Kassel beschreibt die Wirkung des Fastens so:
„Vor allen Dingen ist es für mich aber ein umfassendes Naturheilverfahren, mit welchem in kurzer Zeit teilweise dramatische … Änderungen von Stoffwechselstörungen, entzündlichen und anderen Erkrankungen erzielt werden können.“3
Die durch den Nahrungsverzicht verursachte Umstellung des Körpers von der äußeren auf eine innere Energiegewinnung bewirkt den Abbau von Schlacken, vor allem aus dem Fettgewebe. Stoffwechselprozesse werden mobilisiert, der Blutdruck und die Pulsfrequenz sinken. Hormonelle Veränderungen während des Fastens beeinflussen u. a. den Insulinspiegel, die Schilddrüse und körpereigene entzündungshemmende Hormone. Durch eine drastische Verringerung der Verdauungssaftproduktion kann sich die Darmflora regenerieren und das Immunsystem wird gestärkt.
Mögliche Indikationsgebiete, bei denen das Heilfasten eingesetzt werden kann, sind:
bestimmte Stoffwechselerkrankungen (z. B. Fettleibigkeit)
Herz-Kreislauferkankungen (z. B. hoher Blutdruck, Herzrhythmusstörungen)
Erkrankungen des Bewegungsapparates (z. B. entzündliche und degenerative Gelenkerkrankungen)
Erkrankungen der Verdauungsorgane (z. B. Verstopfung, Fettleber, Morbus Crohn)
Hauterkrankungen (z. B. Akne, Neurodermitis)
Allergien (z. B. Heuschnupfen)
Migräne
Seelische Wirkungen
Verzichte gehören zu jedem Leben. Sie akzeptieren zu können, schafft mehr Lebensqualität.
„Wenn man sich ganz bewusst dem Verlust aussetzt, lernt man ihn zu spüren. … Ohne Verlusterfahrungen kann sich der Mensch gar nicht entwickeln.“4
erklärt Pater Johannes Pausch vom Kloster Aich in Österreich. Das Fasten ist also ein Weg, durch freiwillige Übung positiv mit Verlusten umgehen zu lernen und dadurch zu neuer Lebenskraft zu finden.
Während einer Fastenkur können Erinnerungen und Verdrängtes wieder freigelegt werden. Ängste, Probleme und Lebensfragen können „hochkommen“. Durch das In-sich-Gehen und die Besinnung auf Wesentliches kann es gelingen, die Seele „aufzuräumen“, In-sich-Hineingefressenes loszulassen, Lösungen auf persönliche Fragen zu finden und die eigene Intuition und Kreativität wiederzuentdecken. Der Schlaf kann erholsamer werden und die Konzentrationsfähigkeit wird günstig beeinflusst.
Die meisten Fastenden berichten von einer Intensivierung der Träume und des Gefühlserlebens, daneben von einer gesteigerten Sinneswahrnehmung. Ein Stimmungshoch, welches meist nach einer anfänglichen Unausgeglichenheit eintritt, beruht auf dem angestiegenen Serotoninspiegel (das sogenannte „Glückshormon“) im Blut.
Durchführung
Ein oder zwei Entlastungstage sollten das Fasten einleiten. Dazu eignet sich eine leichte Kost mit Müsli, Reis und Gemüse, Obst und Knäckebrot.
Während der Dauer des Fastens sollte täglich eine gründliche Darmentleerung erfolgen. Das führt zum besseren Wohlbefinden, kann Kopfschmerzen und Hungergefühl verhindern. Dazu hat sich zu Beginn Glaubersalz bewährt, später können auch Einläufe gemacht werden. Außerdem gehört zu allen Fastenarten über die gesamte Zeit eine reichliche Flüssigkeitszufuhr sowie ausreichend Bewegung und Entspannung. Ferner können zur Unterstützung der Entgiftung feuchtwarme Leberwickel oder das Schwitzen in der Sauna helfen.
Das Fastenbrechen ist für den erfolgreichen Abschluss einer Fastenkur äußerst wichtig – körperlich wie geistig. Es ist der Zeitpunkt, ab dem man wieder Nahrung zu sich nimmt. Zum Fastenbrechen wird meist ein roher Apfel oder auch ein Bratapfel empfohlen.
Das Wichtigste für die folgenden Aufbautage ist es, kleine Portionen gut zu kauen (pro Biss 36 mal) und langsam zu essen. Es gilt die Faustregel, dass für jede Woche Fasten ein bis zwei Tage Schonkost angebracht sind. Begonnen werden sollte beispielsweise mit Obst, gedünstetem Gemüse mit Reis oder Kartoffeln oder etwas Brot mit Quark. Der weitere Kostaufbau sollte als Chance für eine künftige gesunde Kau- und Ernährungskultur angesehen werden.
Die oft auftretende Verstopfung während der ersten Aufbautage kann durch eingeweichte Backpflaumen behoben werden, die man früh zu sich nimmt. Manchmal ist auch noch ein Einlauf nötig.
Fastenkrisen
Beim Fasten kommt es in der Regel zu so genannten Fastenkrisen. Das sind Ausscheidungsprobleme, bei denen größere Mengen von im Binde- bzw. Fettgewebe abgelagerten Giftstoffen vom Körper nicht schnell genug ausgeschieden werden können. Dadurch können alte Krankheitsherde wieder aufflackern, Kopfschmerzen und Grippegefühl auftreten; die Stimmung schwankt von depressiv bis euphorisch; manchmal wird man grundlos aggressiv. Ebenso können Verstopfung und Juckreiz der Haut auftreten.
Zur Überwindung der Fastenkrisen gibt es naturheilkundliche Methoden und Präparate, die Abhilfe schaffen können:
Durch die Einnahme von Schüßlersalzen (Dosierung in der Regel: mehrmals täglich 2 Tabletten der Potenz D 6 im Mund zergehen lassen) werden Blockaden im Zellstoffwechsel abgebaut.
Gegen eine trockene, juckende Haut helfen die Schüßlersalze Kalium sulfuricum Nr. 6, Natrium chloratum Nr. 8 oder Silicea Nr. 11.
Gelenkschmerzen, Gicht und Rheuma werden günstig beeinflusst durch Kalium sulfuricum Nr. 6 und Natrium phosphoricum Nr. 9.
Gegen Schlafprobleme hilft ein abendlicher Spaziergang, ein ansteigendes Fußbad oder die Schüßlersalze Kalium sulfuricum Nr. 6 und Kalium phosphoricum Nr. 5.
Dem Frösteln kann man begegnen mit morgendlichen Wechselduschen, welche den Kreislauf anregen. Tagsüber hilft das Trinken heißen Tees und abends die Wärmflasche im Bett. Natrium phosphoricum Nr. 9 vermittelt eine wohlige Wärme.
Bei Schwindel durch zu niedrigen Blutdruck sind morgendliche Wechselduschen hilfreich.
Schlechter Mundgeruch wird durch Kalium phosphoricum Nr. 5 gemildert oder durch täglich mehrmaliges Kauen eines Zitronenschnitzes.
Bei Kopfschmerzen massiert man Pfefferminzöl auf die schmerzende Stelle oder nimmt die Schüßlersalze Magnesium phosphoricum Nr. 7 oder Silicea Nr. 11.
Der Erfolg des Fastens kann über ausgewogene Bewegung, bewusste Atmung und Entspannung unterstützt werden.
Das Heilfasten ist in der naturheilkundlichen Ernährungstherapie heute ein fester Bestandteil und bietet eine gute Ergänzung zu naturheilkundlichen und schulmedizinischen Behandlungen.
NHV Theophrastus, 2014
Quellen
Böhm, Gert; Pausch, Johannes: Auf zum guten Leben! Fasten wie im Kloster, Verlag Styria in der Styria Pichler GmbH & Co. KG, Wien, 2004
Brauchle, A.: Das große Buch der Naturheilkunde, Mosaik-Verlag, Gütersloh, 1957/1974
Dr. med. Schmiedel, Volker: Naturheilkunde kurz & bündig, Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG, Stuttgart, 2003
Schmiedel, Volker; Augustin, Matthias (Hrsg.): Leitfaden Naturheilkunde, 5. Auflage, Elsevier GmbH, München, 2008
Vornickel-Schwenck, Radu: Das therapeutische Fasten, Verlag videel OHG, Niebül, 2002
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Otto Böcher, Fasten. III. Christentum, in: Religion in Geschichte und Gegenwart: Handwörterbuch für Theologie und Religionswissenschaft, Tübingen, 2000 4, Sp. 41↩
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Brauchle, A.: Das große Buch der Naturheilkunde, Mosaik-Verlag, Gütersloh, 1957/1974, S. 67↩
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Dr. med. Volker Schmiedel, aus dem Vorwort zu dem Buch von Radu Vornickel-Schwenck: Das therapeutische Fasten, Verlag videel OHG, Niebül, 2002, S. 7↩
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Böhm, Gert; Pausch, Johannes: Auf zum guten Leben! Fasten wie im Kloster, Verlag Styria in der Styria Pichler GmbH & Co. KG, Wien, 2004,
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