Kubebe – Seltenes Gewürz und unterschätzte Arznei

Autor/en: 
Dipl.-Ing. (FH) Maria VogelPharmazie-Ingenieurin

Die „Heilpflanze des Jahres 2016“ ist der Kubebenpfeffer (Piper cubeba). Die Früchte des in Südostasien heimischen Kletterstrauches sind hierzulande meist nur als selten verwendetes Gewürz bekannt. Aber die Erfahrungsmedizin kennt einige interessante Wirkungen. Durch die Auslobung zur „Heilpflanze des Jahres“ will der NHV Theophrastus die überlieferten Erfahrungen mit dieser Heilpflanze wieder in Erinnerung bringen.

Die „Heilpflanze des Jahres 2016“ ist Kubebenpfeffer (Piper cubeba).
„Wie bitte – was?“, so wird manch einer mit hilflosem Blick fragen, denn die Früchte des in Südostasien heimischen Kletterstrauches sind hierzulande meist nur als selten verwendetes Gewürz bekannt. Auch als Fertigarznei spielte der Kubebenpfeffer bisher keine große Rolle. Aber die Erfahrungsmedizin kennt bereits einige interessante Wirkungen. Nach Hildegard von Bingen führt er z. B. „…zu einem fröhlichen Geist, einem scharfsinnigen Verstand und zu reinem Wissen“.
Durch die Auslobung zur „Heilpflanze des Jahres“ will der NHV Theophrastus die überlieferten Erfahrungen mit dieser Heilpflanze wieder in Erinnerung bringen.

Wirkung und Anwendung

Hauptsächliche Einsatzgebiete des Kubebenpfeffers sind entzündliche und bakterielle Erkrankungen der Harnwege und als auswurfförderndes Mittel bei chronischer Bronchitis. Kaut man getrocknete Früchte, sollen Kopfschmerzen und Schwindel gelindert werden und eine Steigerung des Geschlechtstriebes erzielt werden. Er wirkt harntreibend, harndesinfizierend, auswurffördernd, magenstärkend, verdauungsfördernd, blähungs- und krampflösend. Außerdem soll Kubebenpfeffer eine anregende Wirkung auf die Gehirnleistung, die Konzentration und das Wohlbefinden haben. Dafür wird das mehrmalige tägliche Kauen von drei getrockneten Früchten empfohlen.
Das Räuchern mit Harzen oder Pflanzenteilen war vor Jahrtausenden oft Teil von rituellen Handlungen. So sollten böse Geister vertrieben, Träume verbessert und Wohlbefinden erzeugt werden. Positive Wirkungen auf Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit wurden dem Räuchern damals schon zugeschrieben. Auch heute kommt es wieder in Mode – nicht nur zu Weihnachten. Beim Räuchern wirkt gemörserter Kubebenpfeffer anregend und bringt stockende Energien wieder in Fluss. Da er pur etwas streng riecht, wird eine Mischung z. B. mit Rosmarin, Nelke, Rose oder Lemongras empfohlen.

Vielfältiger Geschmack

Fernsehkoch Alfons Schuhbeck schildert, dass sich der Geschmack in drei Phasen entfaltet:

„Zuerst wirken sie scharf, dann macht sich eine Bitternote bemerkbar, die sehr eindringlich sein kann. Gegen Ende entwickelt sich ein lang anhaltendes Eukalyptus- oder Kampferaroma.“

Wegen seines speziellen Geschmackes rät er, den Kubebenpfeffer nie allein, sondern immer in Kombination mit anderen Gewürzen zu verwenden und vorsichtig zu dosieren.
In der indonesischen Küche und in Sri Lanka werden Fisch und Meeresfrüchte sowie Reisgerichte mit Kubebe gewürzt. Lamm oder Hammel, das typische Fleischgericht des Orients, wird häufig mit Kubebenpfeffer verfeinert. Die marokkanische Gewürzmischung Ras el Hanout – das bedeutet „Chef des Ladens“, weil nur der Chef in der Lage ist, die komplizierte Gewürzmischung aus etwa 25 Zutaten herzustellen – enthält zumeist Kubebenpfeffer.
Verantwortlich für das Aroma sind 5–18 % ätherisches Öl, u. a. mit den Hauptkomponenten β-Cubeben, Cubebol und α-Caryophyllen. Weiterhin sind in den Früchten Lignanderivate, besonders Cubebin (2 %) enthalten, welches für die Schärfe zuständig ist.

Von „Orientalischen Fröhlichkeitspillen“ bis zum Pfefferwodka

Chinesische Ärzte kannten im 1. Jahrhundert den Kubebenpfeffer als appetitanregendes Mittel und empfahlen ihn zum Dunkelfärben des Haares und als Duftmittel für den Körper. Auch sollte er helfen, Dämonen auszutreiben.
Zufolge einer Warenliste der Großen Ming-Dynastie lag der Preis für Kubebenpfeffer bei einer Schnur Kupfermünzen* pro jin (chinesische Maßeinheit für 500 Gramm), für Schwarzen Pfeffer sind dagegen drei Schnüre angegeben.
*Wegen des geringen Wertes der Einzelmünzen wurden diese in großer Menge – bis zu 1000 Stück – auf Schnüre aufgezogen.
Im 4. Jahrhundert festigte sich auf der Insel Java ein Monopol für den Anbau dieser Pfeffersorte. Um dieses zu schützen, sterilisierten die Javaner die Früchte durch Verbrühen. Die Verbreitung der Pflanze konnte damit jedoch nicht verhindert werden. Denn schon bald war im arabischen Raum Kubebenpfeffer als Handelsgut aus Java bekannt. Arabische Händler brachten die Pfeffersorte dann nach Europa.
Kubebenpfeffer soll neben vielen anderen Gewürzen Bestandteil der aphrodisisch wirkenden „Orientalischen Fröhlichkeitspillen“ gewesen sein, deren Hauptbestandteile Opium, Haschisch und Cannabis waren. Adam Lonitzer (1528–1568), deutscher Arzt und Botaniker, wusste:

„Cubeben/öffnen die Verstopffung und Verhärtung der Därme/fürdern den Harn/und treiben den Stein der Nieren auß. Seynd gut den Hauptflüssen/so von der Kälte entstanden/stärcken zugleich auch das Haupt.“

Paracelsus (1493–1541) nennt den Kubebenpfeffer als erwärmendes Gewürz. Er ist Bestandteil eines Aqua vitae und einer Magenrezeptur und wird von ihm als lebensverlängerndes Mittel empfohlen.
John Parkinson, englischer Arzt und Botaniker (1567–1615), schreibt in seinem „Theatrum Botanicum“, dass der portugiesische König den Verkauf von Kubebe verboten habe, um das Monopol des schwarzen Pfeffers aufrechtzuerhalten. Im Europa des 17. Jahrhunderts wurde in den Weihrauch Kubebenpfeffer gemischt und von katholischen Priestern für exorzistische Sitzungen benutzt.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein war der Gebrauch von Schnupftabak weit verbreitet. Kubebenpfeffer gehörte zu den Gewürzen, die in Aromatisierungslösungen zur Selbstherstellung angegeben wurden. In den USA waren bis etwa Mitte des 20. Jahrhunderts Asthmazigaretten im Handel, die Kubebenpfeffer, aber keinen Tabak enthielten.
Alkoholische Getränke wie z. B. Bombay Sapphire Gin und Pertsovka, ein dunkelbrauner Pfefferwodka aus Russland, sind mit Kubebe gewürzt.
Kubebenpfeffer gehört u. a. zu den wichtigsten Pflanzen der traditionellen indonesischen Jamu-Medizin. JAMU ist heute in ganz Asien ein allgemeiner Begriff für Naturheilverfahren.
Traditionell werden die pflanzlichen Heil- und Schönheitsmittel von einer Jamu Gedong (Herstellerin und Händlerin zu Fuß in klassischer javanischer Kleidung) in einem Bambuskorb durch Dörfer und Stadtstraßen getragen und angeboten. Die Jamu-Heilmittel wurden früher zu Hause hergestellt und die streng gehüteten Rezepturen meist nur innerfamiliär von Generation zu Generation weitergegeben. Mittlerweile werden auch sie industriell produziert.

„Schwindelkörner“ und ihre Herkunft

Kubebenpfeffer im Botanischen Garten Dresden © Gabriele Hanke

Kubebenpfeffer im Botanischen Garten Dresden © Gabriele Hanke

Aufgrund seiner verschieden Kennzeichen und Eigenschaften haben sich für die Kubebe unterschiedliche volkstümliche Namen entwickelt: Die kleinen Stiele an den getrockneten Körnern sind verantwortlich für die Bezeichnung „Stielpfeffer“ oder „Schwanzpfeffer“, im Englischen „Tailed Pepper“. Nach seiner Herkunft heißt er auch „Java-Pfeffer“ und bezogen auf seine Schwindel bessernde oder Geschlechtstrieb steigernde Wirkung sind es „Schwindelkörner“ oder „Bräutigamskörner“.
Das deutsche Wort Kubebenpfeffer stammt vom arabischen al-kabaabah. In Indonesien werden je nach Region für den Gewürzbaum die Namen z. B. Kemukus (Zentral-Java) oder Kamokos (Insel Madura) verwendet. Und in den verschiedenen Sprachen Indiens bzw. Sri Lankas heißt er Walga-miris (Singhalesisch), Val-milaku (Tamil) oder Kankola (Sanskrit).
Seine Heimat hat der Kubebenpfeffer in Indonesien. Er wächst vor allem auf Java, Sumatra und im Südteil Borneos. Dort sowie auf Sri Lanka, in Indien und Malaysia wird er angebaut, auch mit dem Ziel, Kaffeeplantagen zu beschatten.

Kubebenpfeffer – ein Kletterstrauch

Die meisten Pfefferarten in Asien sind zweihäusige Pflanzen, d. h. dass sie getrenntgeschlechtlich sind – es gibt männliche und weibliche Pflanzen. Der Kubebenpfeffer ist ein Kletterstrauch, der 5 bis 10 m hoch wird. Als junger Strauch hat er feinhaarige, im Alter kahle, gabelteilige Äste. Er wird bis zu 15 Jahre alt. Die lederartigen Blätter sind 8 bis 25 cm lang und 4 bis 6 cm breit, gestielt, aber von verschiedener Gestalt – sie können herzförmig-spitz oder eiförmig-länglich-spitz sein.
Beide Blütenarten bilden walzenförmige Ähren, die weiblichen sind jedoch dicker und derber als die männlichen. Daraus entwickeln sich traubenartige Fruchtstände, deren kuglige Früchte an einem kleinen Stil sitzen.
Die Früchte werden geerntet, wenn sie noch nicht ganz reif sind. Bei der Trocknung in der Sonne verfärben sie sich schwarz-bräunlich. Dann haben sie eine netzartige, runzlige Oberfläche und sind häufig mit dem Stiel der Fruchtähre versehen.

Probieren – aber wie?

In Europa sind die Früchte des Kubebenpfefferbaumes nur in getrockneter Form erhältlich. In den Gewürzregalen von Supermärkten ist diese besondere Art des Pfeffers jedoch kaum anzutreffen. Fündig wird man in speziellen Gewürzläden oder über das Internet.
Vielleicht können Sie bei kulinarischen Experimenten mit der Heilpflanze des Jahres 2016 neue geschmackliche Highlights entdecken. Doch auch Eugen Roth rät zur vorsichtigen Dosierung nicht nur bei Kubebenpfeffer:

„Der Witz ist Würze und nicht Speise;
Nie reiche man ihn löffelweise!
Zuträglich – gar bei scharfem Witze –
Ist höchstens eine Messerspitze!“

2015


Verwendete Quellen
  • Dulk, Friedr. Phil.: Pharmakopoea Borussica, 2. Vermehrte und verbesserte Auflage, Erster theil, Verlag von Fleischhauer und Spohn, Reutlingen 1833
  • Hiller, Karl; Metzig, Matthias F.: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen, Zweiter Band, Spektrum Akademischer Verlag; Heidelberg 2003
  • Jayaweera, D. M. A.: Medicinal Plants (Indigenous and Exotic) Used in Ceylon, Part IV, Colombo 1982
  • Lee A. Dyer; Palmer, Aparna D.N. : Piper : a model genus for studies of phytochemistry, ecology, and evolution; Deparment of Ecology and Evolutionary Biology, Tulane University, New Orleans, 2004
  • Lonicero, Adamo: Kreuterbuch, originalgetreue Wiedergabe des Kräuterbuches 1679, Reprint, Verlag Konrad Kölbl, Grünwald bei München 1962
  • Matthaei, Bettina: Gewürze: 70 Küchengewürze von A–Z. Mit Minirezepten zum Kennenlernen, Gräfe und Unzer, München 2013
  • Rippe, O.; Madejsky, M.: Die Kräuterkunde des Paracelsus, AT Verlag, Aarau 2006
  • Schuhbeck, A.: Meine Küche der Gewürze, 5. Aufl., Verlag Zabert Sandmann, München 2009
  • SIEWEK: Exotische Gewürze: Herkunft Verwendung Inhaltsstoffe, Springer-Verlag, 2013
  • Sonnendecker, Klaus: Huang Xingzeng, Verzeichnis der Akteneinträge zu Audienzen und Tributen vom Westlichen Meer, (Xiyang chaogong dianlu) [黃省曾, 西洋朝貢典錄, 1520 n. Chr.] Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades des Fachbereichs Geschichts- und Kulturwissenschaften an der Freien Universität Berlin, 2007
  • Stehlow, W.: Die Hildegard-Naturapotheke: Heilmittel und Rezepte von A–Z, Knaur MensSana eBook, 2014
  • Vonarburg, Bruno: Homöotanik 4, Extravagante Exoten, Haug-Verlag, 2005

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