1. Auswirkungen von Wirbelsäulen-Blockierungen
1.1. Wirkungen auf die Wirbelsäule selbst
Ein kurzer Exkurs in die Anatomie der Wirbelsäule (WS)
Rückenschmerzen, Bewegungseinschränkungen, besagter „Hexenschuss“ …, diese als direkte Auswirkungen einer Wirbelsäulenblockierung zu erkennen, fällt nicht allzu schwer. Aber wie kommt es zu dieser?
Unsere WS ist aus 24 beweglichen Wirbeln – 7 Halswirbeln (HWS), 12 Brustwirbeln (BWS) und 5 Lendenwirbeln (LWS) – und 5 miteinander fest verwachsenen Wirbelkörpern (Kreuzbein) aufgebaut. Damit Erschütterungen, die beim Laufen, Springen, Tanzen … entstehen, nach oben abgedämpft werden und wir uns besser bewegen können, hat die Natur zwischen den einzelnen beweglichen Wirbelkörpern eine Art „Stoßdämpfer“ eingebaut, die sog. „Zwischenwirbelscheiben“ oder Bandscheiben. Diese bestehen im Inneren aus einem gallertartigen, elastischen Kern (Nucleus pulposus), der als „Wasserkissen“ fungiert, und einem äußerst widerstandsfähigen Faserring (Anulus fibrosus), der den weichen Kern schützend umgibt. Auf diese Bandscheibe kann aufgrund der Hebelwirkung beim Vornüberbeugen das Dreifache des Körpergewichtes wirken! Schweres Heben verstärkt dieses Problem zusätzlich. Daher sollte man stets in die Hocke gehen, wenn man den Kasten Bier oder Mineralwasser anhebt.
Zum Glück zählt der Faserknorpel dieser diskusartigen Scheiben zu den robustesten des Körpers. Aber alles Materielle hat natürlich auch seine Grenzen. Überschreiten wir diese (und das soll nicht nur bei „Häuslebauern“ vorgekommen sein), kann es zum befürchteten Bandscheibenvorfall oder „Bandscheibenprolaps“ kommen. Dabei drückt es die Bandscheibe nach außen bzw. der Faserknorpel reißt ein, mit der äußerst schmerzhaften Folgeerscheinung, dass Nervengewebe (Rückenmark oder Spinalnerven) abgedrückt wird.
Jedoch auch zu wenig Bewegung ist schädlich für unsere Wirbelsäule, besonders für unsere Bandscheiben. Es kommt dann zu einer mangelhaften Versorgung des „Wasserkissens“ mit lebenswichtigen Substanzen, gemäß dem Naturgesetz, dass alles verkümmert, was nicht gefordert wird.
Aber nicht nur Fehlbelastungen haben direkte Auswirkungen auf die Wirbelsäule. Kommt es zu einem Flüssigkeitsverlust der Gallertkerne bzw. verlieren diese infolge des natürlichen Alterungsprozesses ihre Wasserbindungskapazität (deshalb werden Menschen im Alter kleiner), verringert sich der Abstand zwischen den einzelnen Wirbelkörpern mit der Konsequenz, dass Teile der Wirbelkörper aufeinander reiben. Schmerzen und Bewegungseinschränkung sind dann die Folge. Trinkt der Mensch zu wenig Wasser, so wird dieser Vorgang noch begünstigt bzw. beschleunigt.
Folgeerscheinungen eines Beckenschiefstandes
Den Abschluss der WS nach unten bildet das Kreuzbein mit dem Steiß. Dieses ist gelenkig mit dem Becken verbunden und bildet sozusagen das „Fundament“ der Wirbelsäule. Kommt es aufgrund einer ständigen Fehlhaltung, einer Fehlbelastung oder auch eines Sturzes zu einer Verwindung des Beckens, gerät unser Fundament in eine Schieflage (Beckenschiefstand). Unsere Wirbelsäule gleicht diesen Schiefstand mit Krümmungen aus. (Wie ein Maurer, der ein schiefes Fundament auszugleichen versucht, indem er einzelne Ziegelsteine seiner Mauer nach links oder rechts verschiebt).
Diese verschobenen Steine – Entschuldigung: Wirbelkörper – verursachen nun mit der Zeit einen Reiz auf bestimmte Nerven, die an dieser Stelle die Wirbelsäule verlassen. Die direkte Folge davon können Nervenreizungen und -entzündungen mit entsprechender Schmerzsymptomatik sein. Diese stellen jedoch nicht die einzige Konsequenz dieser zeitlich oft langwierigen Entwicklung dar …
1.2. Auswirkungen von Wirbelsäulen-Blockierungen auf Organe
Jeweils zwischen zwei Wirbelkörpern verlässt ein Nervenpaar die Wirbelsäule, welches aus dem Wirbelkanal stammt und mit dem Gehirn verschaltet ist. Diese Nervenpaare versorgen bestimmte Organe oder Körperareale gleich einem „Kabelbaum“, der vom zentralen Schaltraum aus die einzelnen Räume eines Hauses versorgt.
Wichtige Verbindungen der Wirbelsäulensegmente zu bestimmten Organen sind beispielsweise:
Segment | Organe |
---|---|
*** | |
C | cervikal - Halswirbel |
C 2 | Hörnerv, Augen |
C 5/6 | Schultern, Arme, Finger |
C 7 | Schilddrüse |
*** | |
Th | thorakal - Brustwirbel |
Th 2 | Herz |
Th 4 | Galle |
Th 5 | Magen |
Th 10 | Nieren |
*** | |
L | lumbal - Lendenwirbel |
L 1 | Dickdarm |
L 3 | Blase |
L 5 | Unterschenkel |
Wirbelsäulenblockierungen in bestimmten Segmenten können also Gesundheitsstörungen in entsprechenden Organen oder Organzonen hervorrufen. Bei C 5/6-Blockierungen kommt es z. B. zu Missempfindungen und/oder Schmerzen in den Armen, meist in den frühen Morgenstunden; eine Blockierung bei Th 6 kann zu Magenbeschwerden (Krämpfe, Appetitlosigkeit …) führen, ohne dass sich bei einer Magenspiegelung irgendein Anhalt für eine Magenerkrankung finden ließe; und eine Problematik bei L 3 ist eine häufige Ursache für funktionelle Blasenbeschwerden (Inkontinenz oder auch Harnverhalt).
An dieser Stelle wird ein Problem deutlich: Oft wird in der ärztlichen Praxis nach der Ursache einer Erkrankung lediglich im erkrankten Organ gesucht, mittels Ultraschall, Röntgen oder Endoskopien nichts gefunden und der Patient als ein Fall für den Psychologen eingestuft. Leider werden noch sehr selten Zusammenhänge zwischen Organ und Wirbelsäule gesehen. In der Tat besteht kaum eine chronische Erkrankung ohne ein gestörtes Wirbelsäulensegment! Warum dennoch in einigen Fällen von Wirbelsäulenblockierungen der Psychologe konsultiert werden sollte, besprechen wir im nächsten Kapitel.
1.3. Auswirkungen auf die Psyche
Jeder Mensch, der unter ständigen Schmerzen zu leiden hat (egal ob an der Wirbelsäule, an anderen Teilen des Bewegungsapparates oder unter chronischen Kopfschmerzen), wird wissen, welche Auswirkungen das auf seine Psyche hat. Ein Dauerschmerz zermürbt, macht manchmal aggressiv oder unduldsam. Aber auch der umgekehrte Weg ist möglich.
Es gibt auch Entsprechungen von seelischen Problemen zu einzelnen Wirbelsäulensegmenten, welche dann mit Schmerz oder Verspannung antworten. Die Seele macht gewissermaßen durch körperliche Erscheinungen auf sich aufmerksam.
Es gibt Autoren, die sogar jeder einzelnen WS-Blockierung ein ganz bestimmtes Verhaltensmuster zuordnen. So liest man dann beispielsweise beim Segment C 2: „Ablehnung von Weisheit, Weigerung zu wissen oder zu verstehen, Unentschlossenheit“. Als Ursache für das gestörte WS-Segment Th 6 steht: „Wut auf das Leben, zurückgehaltene negative Emotionen, ständige Sorgen“ und dem Segment L 3 sind „Sexueller Missbrauch, Schuldgefühle, Selbsthass“ zugeordnet. Das Kreuzbein sieht man allgemein in Verbindung mit Partnerschaft, bzw. zwischenmenschlichen Beziehungen.
Ich möchte diese Entsprechungen keineswegs pauschal verwerfen, sie sind jedoch stets am speziellen Fall zu prüfen, mit Zurückhaltung anzuwenden und nicht als Gesetzmäßigkeit zu werten. Sie können allemal als Hinweise dienen.
Dass es ganz allgemein Verbindungen von Charakter und Wirbelsäule geben muss, gibt uns schon von Alters her der Volksmund zu verstehen, in Formulierungen wie z. B.: „kein Rückgrat haben“, „vor jemandem buckeln“, „sich vor jemandem krumm machen, verbiegen“, „schwer auf den Schultern lasten“ oder „Er ist ein gebrochener Mann“.
Ein aufrechter, aufrichtiger, selbstbewusster Mensch zeigt das auch mit einer aufrechten, (nicht steifen) Haltung – wieder ein Wirbelsäulenbezug! Eine bestimmte Lebenshaltung zeigt sich in einer entsprechenden Körperhaltung.
Solche Bezüge zwischen Psyche und Wirbelsäule in eine ganzheitliche Therapie einzubeziehen, kann äußerst hilfreich sein. Vor allem dann, wenn trotz umfassender Körpertherapie eine Heilung nicht vorankommt oder ein Wirbelsäulen-Problem immer wieder auftritt, ohne dass eine äußere Ursache erkennbar ist.
2. Diagnostische Möglichkeiten/Untersuchungsmethoden
Als Einstieg in das Thema „Rückenschmerzen“ bzw. „Wirbelsäule“ haben wir uns mit den verschiedenen Auswirkungen von Wirbelsäulenblockierungen auf Körper und Seele befasst. Einer Spruchweisheit zufolge haben „die Götter“ vor eine erfolgreiche Therapie die Anamnese bzw. die Diagnose gestellt. Folglich wollen auch wir in Teil 2 diese Forderung erfüllen.
2.1. Bildgebende Diagnoseverfahren
Röntgen
In einigen Fällen wird der verantwortungsvolle Therapeut – ob Orthopäde oder Chiropraktiker – nicht auf ein Röntgenbild verzichten wollen, bevor er eine Manipulation oder Reposition an der Wirbelsäule vornimmt (umgangssprachlich sagt man dazu auch „Einrenken“). Aber nicht alle Aufnahmen der Wirbelsäule sind auch wirklich geeignet, um sich ein umfassendes Bild von den realen Verhältnissen machen zu können. So wird z. B. eine Aufnahme im Liegen die wahren orthostatischen Verhältnisse nicht wiedergeben. Um dies zu gewährleisten, wird der Patient im Stehen geröntgt. Manchmal müssen Spezialaufnahmen, etwa mit geöffnetem Mund (um die Halswirbel besser beurteilen zu können), angefordert werden.
Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT)
Während es sich bei der Röntgen-Aufnahme gewissermaßen um ein spezielles „Foto“ handelt, sind CT und MRT Computerbilder, die mittels eines aufwendigen Rechnerprogrammes zur Darstellung kommen. Im Gegensatz zur MRT ist die CT ebenfalls ein Röntgenverfahren.
Diese Verfahren haben den großen Vorteil, dass mit ihrer Hilfe auch Weichteile und nicht nur knöcherne Strukturen sichtbar gemacht werden können. Das nutzt man vor allem bei der Suche nach Tumoren und zum Ausschluss von Blutungen (z. B. im Gehirn). Auf diese Weise kann der Körper „scheibchenweise“ analysiert werden.
Bei der Diagnostik des in Folge 1 beschriebenen Bandscheibenvorfalles kommt die Wirbelsäulen-CT zum Einsatz. Aber auch die (zum Glück seltenen) Wirbelsäulen-Tumoren können auf diese Weise entdeckt werden.
Haben Sie die Wahl zwischen CT und MRT, sollten Sie sich stets für letztere entscheiden, da diese keinerlei Strahlenbelastung mit sich bringt. CT-Aufnahmen weisen den großen Nachteil auf, dass deren Strahlenbelastung ein Vielfaches im Vergleich zu einer herkömmlichen Röntgenaufnahme beträgt, da nicht nur eine, sondern viele Aufnahmen gemacht werden, die dann der Computer zu einem überlagerungsfreien Bild „zusammenrechnet“.
Die MRT basiert auf der unterschiedlichen Auslenkbarkeit von Wasserstoffkernen in sich überlagernden Magnetfeldern und wird daher auch Kernspinresonanz-Tomographie genannt. Hier haben wir es also lediglich mit einem Magnetfeld (wenn auch mit einem relativ starken) zu tun. Das klingt alles sehr kompliziert, aber keine Angst, sollte das eine oder das andere Diagnose-Verfahren für Sie in Betracht kommen, so lassen Sie sich bitte von Ihrem behandelnden Arzt oder dem Röntgenologen (einem Arzt also, der sich auf derartige Verfahren spezialisiert hat) fachmännisch beraten. Die Bitte nach dem schonendsten Verfahren ist jedoch allemal erlaubt und zeugt von der Mündigkeit eines Patienten bzw. davon, dass er (oder sie) gut informiert ist. Und diesem Zweck soll ja schließlich auch dieser Artikel dienen. Denken Sie bei allem notwendigen Vertrauen und Respekt dem Behandler gegenüber bitte immer daran: Es ist Ihre Gesundheit und Sie sind in erster Linie dafür verantwortlich!
2.2. Untersuchungsmethoden durch den Therapeuten
Egal, ob der Therapeut nun Orthopäde, Chiropraktiker oder Osteopath heißt, sie alle werden sich nicht nur allein auf das Röntgenbild, die CT- oder MRT-Aufnahme verlassen, sondern sich mittels ihrer fünf Sinne ein eigenes Bild über die knöchernen und muskulären bzw. bindegeweblichen Strukturen ihres Patienten machen wollen. Bereits die Inspektion des Patienten, die genaue Beobachtung, wie er geht, sich bewegt oder wie er seinen Pullover auszieht, kann wertvolle Informationen über den Zustand seines Bewegungsapparates bzw. über sein Beschwerdebild liefern. Die Untersuchung beginnt also im Prinzip bereits mit dem Guten-Tag-Sagen, denn sogar der Händedruck verrät einiges ...
Der allgemeinen Inspektion folgt nun die Begutachtung der Wirbelsäule; visuell und manuell. Gibt es Wirbelsäulen-Verkrümmungen oder Muskelveränderungen, wie fasst sich das die Wirbelsäule umgebende Gewebe an, sind Hautabnormitäten zu sehen, welche Bewegungen fallen schwer, wo sitzt der Schmerz ...? Viele Informationen müssen nun gleich Puzzleteilen ein möglichst umfassendes Bild, eben ein Krankheitsbild, ergeben. Dass dieses „Puzzle-Spiel“ einiger Berufserfahrung, einer guten Beobachtungsgabe, im wahrsten Sinne des Wortes des „Fingerspitzengefühls“ und manchmal auch des so genannten „sechsten Sinnes“ vonseiten des Therapeuten bedarf, dürfte einleuchten.
Diagnose des Beckenschiefstandes
Wichtiges Indiz für das Vorhandensein eines Beckenschiefstandes ist die Beinlängendifferenz.
Je nachdem, in welcher Richtung das Becken verschoben ist, wird das eine oder das andere Bein länger erscheinen. Damit verbunden ist oft eine Blockierung im Darmbein-Kreuzbein-Gelenk (ISG), jenem Gelenk, das die Verbindung von Kreuzbein und Becken bildet. Anhand des Beinlängenunterschiedes, der sich an den Innenknöcheln der Füße oder an den Fersen zeigt, folgert der Untersucher, in welcher Richtung das Becken verschoben ist.
Wie bereits in Folge 1 dieser Serie beschrieben, bildet das Becken das Fundament, auf dem sich die Wirbelsäule aufbaut. Aus diesem Grund kommt dieser Untersuchung eine wichtige Bedeutung zu. Zwar kann der geübte Therapeut durch wenige gezielte chiropraktische Handgriffe diese Blockierung wieder lösen, jedoch wird er auch überprüfen, welche Auswirkungen dieses „schiefe Fundament“ auf die Wirbelsäule hatte. Selbst Kniebeschwerden können sich aufgrund dieser Problematik einstellen. Wichtig ist es außerdem zu ergründen, wodurch es zu dieser Verwindung im Becken hat kommen können; gab es einseitige Belastungen, trägt der Patient oder (meist) die Patientin unphysiologisches Schuhwerk, wie sind die Schlafgewohnheiten ...?
Erst wenn alle Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung erkannt und behoben sind, herrschen wieder gesunde Verhältnisse und der Patient befindet sich im wahrsten Sinne des Wortes wieder „in seiner Mitte“.
2.3. Ergänzende Befunderhebungen
Organe und Organsysteme projizieren sich an unterschiedlichen Orten unseres Körpers, so auch unsere Wirbelsäule. Ein Anhänger von möglichst komplizierten Fachausdrücken spricht dann von sogenannten „Somatotopien“, das bedeutet: der Körper im Körper. Bekannt sind Abbildungen des gesamten Körpers, beispielsweise im Auge (Augendiagnose), in den Füßen (Fußreflexzonen) oder im Ohr (Ohrakupunktur).
Augendiagnose
Pupillenabflachungen lassen einen Rückschluss auf manifeste, auch traumatisch bedingte Wirbelsäulenveränderungen zu. Hierbei kommt vor allem der nasal (zur Nase hin) abgeflachten Pupille erhöhte Bedeutung zu. Abflachungen im oberen Anteil der Pupille deuten auf die Halswirbelsäule (HWS), im mittleren Teil auf die Brustwirbelsäule (BWS) und im unteren Drittel auf die Lendenwirbelsäule (LWS) hin.
Fußreflexzonen
Auch in den Füßen bildet sich der Gesamtorganismus ab. Aus dieser Erkenntnis heraus und auf jahrzehntelanger Forschung „fußt“ die Fußreflexzonenmassage, um deren Weiterentwicklung und Verbreitung sich Frau Hanne Marquardt in besonderer Weise verdient gemacht hat. Wie jedes Organ hat also auch die Wirbelsäule ihre Entsprechung im Fuß. Sie bildet sich an den Innenseiten der Füße ab, wobei das Großzehenareal der HWS zugeordnet ist. Druckschmerzhafte Stellen in der Wirbelsäulenzone bedeuten Problemzonen in entsprechenden Wirbelsäulensegmenten, wobei der diagnostische Wert dieser Methode etwas zu relativieren ist. Eine Massage dieser schmerzhaften Zonen ist dann gleichzeitig Therapie und wirkt sich positiv auf Rückenschmerzen aus.
Ohrakupunktur
Im Gegensatz zur allgemein bekannten chinesischen Körperakupunktur hat die Ohrakupunktur ein Franzose namens Dr. Nogier (sprich Nosché) entwickelt. Die Projektion der Wirbelsäule in der Ohrmuschel macht man sich bei der Diagnose und Therapie von Rückenproblemen zunutze. Hier werden schmerzhafte Zonen durch einen Punkttaster ermittelt und mittels Akupunkturnadeln oder per Ohrmassage behandelt.
3. Behandlungsmethoden/Therapieansätze
Nachdem wir uns in den beiden vorangegangenen Folgen mit den Auswirkungen von Wirbelsäulen-Blockierungen sowie ihrer Diagnostik befasst haben, stellt sich folgerichtig die Frage: „Was nützt mir die beste Diagnosestellung, wenn sich nicht irgendeine wirkungsvolle Maßnahme daran anschließt? ...“ Und so wollen wir uns in Teil 3 mit der Therapie, besser gesagt mit der „Be-Handlung“ von Rückenschmerzen bzw. Funktionsstörungen der Wirbelsäule beschäftigen.
3.1. Massage
Wohl keine Therapie ist so eng mit dem Begriff „Behandlung“ im wahrsten Sinne des Wortes verbunden wie die Massage. Zwar stehen auch hier heute zahlreiche Hilfsmittel wie Bürsten, Schröpfköpfe oder Massageroller zur Verfügung, jedoch das „Hand-Anlegen“ ist glücklicherweise auch in unser heutigen Zeit nicht aus der Mode gekommen, ganz im Gegenteil. Das Bedürfnis nach hautnahem, menschlichem Kontakt ist gerade in unserer hochtechnisierten Zeit besonders hoch.
Die Massage zählt sicherlich zu den ältesten Behandlungsmethoden der Menschheit überhaupt und wurde in allen Zeitepochen und Kulturkreisen angewandt. Sie reicht von liebevollen Streicheleinheiten, der „Seelenmassage“, über mehr oder weniger kräftiges Streichen und Reiben bis hin zu jenen kraftvollen, eher an das Bäckerhandwerk erinnernden Knetungen. Jeder, wie er/sie es mag oder verdient ...
Wie wirkt die Massage?
Neben der allgemeinen, wohltuenden Wirkung auf Körper und Seele gibt es noch weitere, differenziert zu betrachtende Wirkrichtungen.
Wirkung auf die Muskulatur: Die Kontraktionsfähigkeit des Muskels, also seine Arbeitsleistung, wird erhöht, was einen positiven Einfluss auf seine Leistungsfähigkeit hat. Dies wird durch einen schnelleren Abtransport von Milch-und Kohlensäure aus dem Muskelgewebe erreicht. Sogenannte „Myogelosen“, gallertartige, säurehaltige Ablagerungen und Verhärtungen also („Muskel in Aspik“ sozusagen) werden leichter abgebaut. Vorübergehend kommt es sogar zu einer Temperaturerhöhung der Haut um ca. 2 °C.
Wirkung auf Blut und Blutgefäße: Venen, die sauerstoffarmes, verbrauchtes Blut transportieren, entleeren sich schneller; Kapillaren, die für den Antransport von sauerstoffreichem Blut zuständig sind, erweitern sich, der Muskel wird besser durchblutet und übersäuert nicht so leicht. Die ausgleichende Wirkung auf die Blutgefäße wirkt sich sowohl positiv auf den Kreislaufschwachen als auch auf den Patienten mit erhöhtem Blutdruck aus. Außerdem wurde die interessante Entdeckung gemacht, dass es zu einer Steigerung der roten Blutkörperchen, der Erythrozyten (besonders gut bei Blutarmut – siehe Salbei Journal 3/2002) – und zu einer Erhöhung der weißen Blutkörperchen, der Leukozyten (abwehrsteigernd) kommt.
Wirkung auf die Organe: Vor allem Ausscheidungsorgane werden in ihrer Aktivität unterstützt. Stoffe werden aktiviert, die über die Niere vermehrt zur Ausscheidung gelangen, die Harnmenge, das wird jeder bestätigen, der sich einer Ganzkörpermassage unterzogen hat, nimmt zu. Eine Bauchmassage verbessert die Darmperistaltik und unterstützt Bauchspeicheldrüse, Leber und Galle. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, darauf hinzuweisen, dass nach jeder Massage viel Wasser (aber ohne Kohlensäure!) zum Ausgleich getrunken werden sollte.
Wirkung auf den Lymphfluss: Die Lymphbahnen, welche Schlackestoffe, Stoffwechselprodukte also, die im Zellstoffwechsel anfallen, herzwärts ins venöse System abtransportieren, werden in ihrer Drainagefunktion unterstützt. Eine gezielte Aktivierung des Lymphsystems wird jedoch weniger durch Massage als vor allem durch die Manuelle Lymphdrainage, einer Therapieform, der man ein extra Kapitel widmen müsste, erreicht. Sie erfordert eine gesonderte Qualifizierung und wird nur von erfahrenen PhysiotherapeutInnen und Masseuren praktiziert.
Natürlich gibt es noch eine ganze Reihe anderer Massageformen und -arten, wie z. B. die Bindegewebsmassage oder die fernöstliche TUI-NA, aber ehe wir noch mehr darüber theoretisieren, sollten Sie sich lieber mal die eine oder andere Massage verschreiben lassen ...
3.2. Chiropraktik
Das Wort Chiro leitet sich vom griechischen Cheir oder Chir, einem Wortteil mit der Bedeutung „Hand“, ab. Das Wort Chiropraktik deutet also bereits daraufhin, dass hier die Hand das wichtigste „Handwerkszeug“ ist. Sie ist eine Heilmethode, die verschiedene Handgrifftechniken umfasst, mit denen man vor allem Verschiebungen bzw. Einklemmungen im Zwischenwirbelbereich einrichtet. (Früher sagte man einfach „Einrenken“ dazu.)
Dieses Einrichten geht meist mit dem berühmten, gut vernehmbaren „Knack“ einher, weswegen die Chiropraktik auch scherzhaft „Chiroknacktik“ genannt wird. (Manchmal rührt aber auch das Knacksen von den überstrapazierten Knochen des Therapeuten her, was man denn doch auseinanderhalten sollte.)
Zu einer erfolgreichen chiropraktischen Behandlung gehört im Vorfeld eine gründliche Untersuchung, bei der sich der Behandler durch Tasten vom Ausmaß der Fehlstellung oder Blockierung überzeugt (siehe Untersuchungsmethoden in Folge 2). Nirgendwo liegen wohl Diagnose und Therapie so eng beieinander wie bei der Chiropraktik.
Dass Chiropraktik in der Lage ist, nicht nur den lästigen Rückenschmerz zu beheben, sondern auch positiv über die einzelnen Wirbelsäulensegmente auf innere Organe wirkt, leuchtet ein, wenn man sich noch einmal das Kapitel „Auswirkungen von WS-Blockierungen auf Organe“ in Folge 1 zu Gemüte zieht. Aus Amerika wird aus dem Jahr 1895 berichtet, dass ein gewisser Mr. Palmer einen Patienten durch einen gezielten Griff an der Halswirbelsäule von seiner Schwerhörigkeit befreite. Das war für besagten Therapeuten Anlass, seine Kenntnisse in ein eigenes System zu fassen und an andere weiterzugeben, indem er Schulen für Chiropraktik gründete. Dieses Schlüsselerlebnis gilt heute, zumindest in Amerika, als die Geburtsstunde der modernen Chiropraktik. Noch heute werden „Master of Chiropraktik“ in den USA nach der Palmerschen Methode ausgebildet. Jedoch reichen die Traditionen dieser Therapie noch weiter zurück. Überlieferungen zufolge arbeiteten bereits Hippokrates und Galen auf diesem Gebiet, wenn diese Techniken auch damals noch nicht unter dem Namen „Chiropraktik“ bekannt waren. Aber auch diese beiden Herren darf man nicht als Väter dieser Therapie bezeichnen. Bekannt ist, dass Schafhirten oft begnadete Chiropraktoren waren (und auch heute noch sind), die ihre Fertigkeiten nicht nur bei ihren Tieren zur Anwendung brachten, sondern ebenfalls bei Zweibeinern. So hat die Chiropraktik tiefe Wurzeln in den einzelnen Völkern, und es hat zu allen Zeiten Menschen gegeben, die, auch ohne den Titel „Master of Chiropraktik“ zu führen, Beachtliches auf diesem Gebiet geleistet haben.
3.3. Akupunktur
In der Schmerztherapie nimmt die Akupunktur einen nicht mehr wegzudenkenden Platz ein, ob als Ohrakupunktur (siehe Punkt 3.2. in Folge 2), als große Körperakupunktur in fernöstlicher Tradition oder der „Periostalen Akupunktur nach Felix Mann“ (PAM). Auch lassen sich alle drei Arten gut miteinander kombinieren, die eine AP-Methode schließt die andere nicht aus. Die Bezeichnung „periostal“ bedeutet: „auf die Knochenhaut bezogen“. Bei dieser Therapie werden die Nadeln also direkt an den Knochen bzw. an den Wirbel gesetzt. Die „PAM“ ist zwar nicht in der Lage, Wirbelsäulenblockierungen zu lösen, vermag es aber, einen überaus positiven Einfluss auf den Teufelskreis Verspannung → Schmerz → Verspannung ... auszuüben. So soll auch die Akupunktur nicht die Chiropraktik ersetzen, sondern kann diese ergänzen und unterstützen. Die „PAM“ richtet sich nach Schmerzpunkten, besser: schmerzhaften Druckpunkten, die gewissermaßen als „Einlasspforte“ für das oft in tiefer gelegenen Regionen befindliche Problem anzusehen ist. Der Schmerzpunkt ist also nur die berühmte „Spitze des Eisberges“, die ja bekanntermaßen lediglich einen Bruchteil der Gesamtmasse ausmacht. So ist auch der Schmerzpunkt nicht das eigentliche Problem, sondern führt zum selben und beseitigt es.
3.4. Cranio-Sacral-Therapie (CST)
Cranium bedeutet Schädel und Sacrum Kreuzbein. Die CST bezieht sich aber nicht nur auf diese beiden Anteile, sondern umfasst auch die dazwischen liegende Wirbelsäule. Die CST ist von allen bisher besprochenen Therapieformen die subtilste, feinfühligste und schonendste.
Auf welcher Grundlage beruht diese Therapie? Das Gehirn und das Rückenmark sind von Hirnwasser umgeben, werden von ihm mit Nährstoffen versorgt, von Schlackestoffen entsorgt, aber auch gewissermaßen getragen. Diese Ver- und Entsorgung unterliegt einem ganz eigenen Rhythmus mit einer Frequenz von acht- bis zwölfmal pro Minute, welcher Cranio-Sacral-Rhythmus genannt wird. Dieses rhythmische Pulsieren, welches Ebbe und Flut vergleichbar ist, bewegt die knöchernen Strukturen und ist vom geübten CS-Therapeuten am Kreuzbein, den einzelnen Schädelknochen, aber auch an den Beinen durch den Tastsinn wahrnehmbar. Ist der Mensch krank, verschiebt sich dieser Rhythmus, kann abgeschwächt oder verstärkt sein. Folgen die Knochen diesem ständigen Auf und Ab nicht mehr im erforderlichen Maße, was durch Schädel-Traumen, Stürze oder Elastizitätsverlust des Bindegewebes verursacht sein kann, antwortet das System mit einem erhöhten Flüssigkeitsdruck, der sich in unterschiedlichen Störungen äußern kann. Beispiele dafür sind: Rückenbeschwerden, Kopfschmerzen, Ohrgeräusche (Tinnitus), innere Unruhe und vor allem bei Kindern Hyperaktivität und Konzentrationsstörungen.
Wie läuft eine solche Therapie ab?
Der Patient liegt ganz bequem auf dem Rücken, der Kopf ist flach gelagert. Der Therapeut untersucht nun die verschiedenen knöchernen Strukturen wie Schläfenbein, Hinterhauptsbein oder den ersten Halswirbel auf ihre Resonanz zu besagtem CS-Rhythmus. Die eigentliche Therapie besteht in sehr zarten Korrekturen an Schädel- und Gesichtsknochen, dem ersten Halswirbel und dem Kreuzbein, wobei mit Fingerdrücken von nur maximal 5 Gramm gearbeitet wird. Wichtig hierbei ist das aufmerksame Hineinfühlen in die knöcherne Struktur des Menschen bzw. seinen CS-Rhythmus und das Registrieren kleinster Schwingungs-Asymmetrien des Systems.
Die CST ist eine stille, nach außen hin unspektakuläre Arbeit, die viel Einfühlungsvermögen und Geduld erfordert. Ziel ist es, verspanntes Gewebe zu lockern sowie Wirbelsäule, Schädelknochen und Nerven aus Blockierungen und Verkrampfungen freizuarbeiten. Die CS-Therapie ist für Patienten jeden Alters geeignet, ist völlig gefahrlos (höchstens, dass man „süchtig“ danach werden kann) und wird als höchst wohltuend empfunden. Meist spürt der Patient ein angenehmes Wärmegefühl entlang der Wirbelsäule oder wellenartiges Durchströmen des Rückens, der Arme oder auch der Beine.
3.5. Dorn-Methode
Als Dieter Dorn – seines Zeichens Sägewerksinhaber im schönen Schwabenland – vor ca. 30 Jahren diese Technik entwickelte, brachte er lediglich die Fähigkeit mit, sich in Fehlstellungen und -funktionen des Bewegungsapparates (vor allem der WS) hineinzudenken, sich mittels des Daumens einzufühlen und durch gezielten Druck an geeigneter Stelle geplagte Mitmenschen von ihren Rücken- und anderen Beschwerden zu befreien. Und diese Tatsache ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass er damals über keinerlei medizinische Vorbildung verfügte! – Ein gutes Beispiel für eine Therapie, die sich aus einem gesunden Naturverstand und einer guten Beobachtungsgabe heraus entwickelte und heute ebenfalls von zahlreichen Therapeuten mit Erfolg angewendet wird. Übungen, die dem Patienten als „Hausaufgabe“ mit auf den (Heim-) Weg gegeben werden, ergänzen diese Therapieform und halten zu aktiver Mitarbeit auf dem Weg zu Gesundung und Schmerzfreiheit an.
Soweit unsere kleine Auswahl an Therapieverfahren, die bei Rückenschmerzen und Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule zur Anwendung kommen. Behandlungsmethoden wie die Osteopathie, die Alexander-Technik oder Rolfing wären beispielsweise noch zu nennen. All diese Verfahren beinhalten jedoch bestimmte Elemente der besprochenen Therapieverfahren und stellen nichts prinzipiell Anderes dar, was jedoch nicht heißen soll, dass sie keine Berechtigung hätten. Jede Therapie hat ihre Berechtigung, die dem Patienten Erleichterung verschafft, ihm auf dem Wege der Befreiung von seinen Schmerzen oder seiner ganz individuellen Last – wie auch immer sie sich äußern mag – hilft. Dabei muss jede(r) von uns seinen ganz persönlichen Weg finden, vorausgesetzt, er/sie ist dazu bereit, sich helfen zu lassen.
In diesem Sinne, kommen Sie gut voran und lassen Sie sich gut behandeln!
2003