Ein Blick in die Rosenwelt
Der Name Rose lässt sich über das lateinische rosa bis zum griechischen rhodon (rhododendron = Rosenbaum) zurückverfolgen. Diese Bezeichnung liegt den Namen der Rose in fast allen heutigen Sprachen Europas zugrunde. Der botanische Artenname damascena bezieht sich auf Damaskus. Von dort sollen Kreuzritter diese Rosenart nach Europa mitgebracht haben.
Die Damaszener-Rose ist ein 1,5 bis 3 Meter hoher Strauch, der durch seine biegsamen, bogig abstehenden Zweige buschig und locker im Wuchs wirkt. An den Trieben sitzen viele, meist rötliche, dünne und hakenförmige Stachel. Die 5 bis 7 hellgrünen, später graugrünen Fiederblättchen sind auf der Blattoberfläche leicht blasig aufgewölbt. Die rosa bis weißen, gefüllten oder halbgefüllten Blüten hängen durch die verhältnismäßig dünnen Stiele leicht nach unten. Sie sind zu mehreren angeordnet und erscheinen etwas flattrig. Typisch für diese Rosenklasse sind die langen Kelchblätter. Die Früchte entwickeln sich zu länglichen, krugförmigen Hagebutten.
Es werden zwei Arten unterschieden: die im Mai/Juni blühenden Sommerdamaszener und die zweimal jährlich blühenden Herbstdamaszener. Die Sommerdamaszener liefern das geschätzte Damaszener-Rosenöl. Andere heilkundlich verwendete Rosenölarten werden aus der Essigrose (Rosa gallica) und der Zentifolie (Rosa centifolia) gewonnen.
Viele Jahrhunderte der Rosenzucht und die daraus resultierende unübersehbare Vielfalt an Rosensorten machen eine exakte Einordnung in die einzelnen Rosenklassen sehr schwierig. Die Übergänge sind fließend. Allgemein gültige Klassifizierungsregeln fehlen bis heute. Deshalb sind in verschiedenen Ländern unterschiedliche Einteilungen üblich. Selbst Rosenexperten sind sich oft nicht einig, welche Rosensorte welcher Klasse zuzuordnen ist.
Gezüchtet wurde die Damaszener-Rose vermutlich in Persien. An ihrer Entstehung sind nach neueren Erkenntnissen Rosa fedtschenkoana, Rosa gallica und Rosa moschata beteiligt. Ihr Alter wird auf etwa 3000 Jahre geschätzt. Damit gehört sie in die Gruppe der „Alten bzw. Historischen Rosen“. So werden alle Sorten bezeichnet, die vor dem Jahr 1867 (das Jahr der Einführung der ersten Teehybride) gezüchtet wurden.
Anbau und Ernte
Die halbgefüllte Sorte „Trigintipetala“, die auch als „Bulgarische Ölrose“ bekannt ist, wird bevorzugt in Bulgarien, in dem weltberühmten „Tal der Rosen“ in der Nähe von Kazanlak angebaut. Der Rosenanbau in Bulgarien begann im Jahr 1710.
Weitere bedeutende Anbaugebiete der Damaszener-Rose befinden sich z.B. in der Türkei, in Marokko, Indien sowie im Iran, wo sie sogar noch in einer Höhe von über 2000 m gut gedeiht. Auch in Österreich, in der Steiermark, gibt es auf bio-zertifizierten Flächen ein kleines Anbaugebiet.
Die Rosenernte im Mai/Juni muss in den frühen Morgenstunden, möglichst vor Sonnenaufgang beginnen, da sich der Ölgehalt der Blüten durch das Steigen der Temperatur im Tagesverlauf rasch verringert. Für einen Liter Rosenöl werden vier bis fünf Tonnen Blüten benötigt. Aufgrund dieser enorm großen Menge gehört das Rosenöl zu den teuersten ätherischen Ölen.
Herstellungsverfahren
Für die Gewinnung des Rosenöls sind folgende Verfahrensweisen gebräuchlich:
die Wasserdampfdestillation (üblich bei der Damaszener-Rose). Daraus entsteht das Rosenöl oder Rosen-Destillat. Das dabei anfallende Destillationswasser ist das Rosenwasser bzw. Rosenhydrolat, welches ebenfalls Heilwirkung besitzt.
die Extraktion mit Hilfe flüchtiger Lösungsmittel, z. B. Hexan oder Petroläther (vorzugsweise bei Rosa centifolia angewendet). Dieses sogenannte Absolue wird in der strengen medizinisch orientierten Aromatherapie selten eingesetzt, da minimale Lösungsmittel-Rückstände möglich sind.
Eine weitere Herstellungsvariante beruht auf einer alten indischen Tradition, bei der mittels einer transportablen Destille Rosenblüten auf Sandelholz destilliert werden. Daraus entsteht das Rosen-Attar. Der Begriff Attar ist ein altes persisches Wort und geht auf das arabische „Itr“ zurück, welches „himmlischer Duft“ bedeutet.
Umgangssprachlich werden aber manchmal auch das Rosenöl oder Parfümmischungen mit Rosenöl als Attar bezeichnet.
Der eingefangene Duft
Der wichtigste Inhaltsstoff der Rosenblüten ist das ätherische Öl, welches in einer sehr geringen Konzentration von weniger als einem Prozent vorliegt. Weiterhin enthalten sind z.B. Gerbstoffe, Flavonoide und Saponine.
Das ätherische Öl enthält über 400 Einzelsubstanzen, welche noch nicht alle identifiziert sind. Damit gehört das Rosenöl, chemisch gesehen, zu den komplexesten ätherischen Ölen überhaupt.
Die Zusammensetzung ist abhängig von der verwendeten Sorte und vor allem vom Herstellungsverfahren. Im Rosen-Destillat (Rosenöl) fehlen die meisten wasserlöslichen Substanzen oder sind nur in geringer Konzentration vorhanden. Allerdings bilden sich Rosenoxid und Damascenon, welche für den typischen Geruch dieses Öls verantwortlich gemacht werden, erst bei der Destillation. Im Rosenwasser reichern sich dagegen die meisten wasserlöslichen Substanzen an, wie z.B. der duftprägende Phenylethylalkohol. Im Rosen-Absolue bleiben die meisten Bestandteile erhalten, da im Extraktionsverfahren das Öl keiner thermischen Belastung ausgesetzt ist und damit zerstörende Oxidationen vermieden werden. Deshalb sind die Düfte von lebenden Rosenblüten am Strauch, der Rosenöle und des Rosenwassers nicht identisch und auch im therapeutischen Spektrum leicht abweichend voneinander.
Vom Duft der Damaszener-Rose schwärmte die Hamburger Reformpädagogin und Rosenliebhaberin Alma de L`Aigle (1889-1959):
„Das Einmalige bei der Damascena-Rose ist ihr Duft, der schönste und reinste Rosenduft. Er beginnt sich leise zu verströmen, wenn die ersten Blütenblätter sich zurücklegen; er hält sich lange in gleicher Stärke, gleicher Weise, gleicher Reinheit […]. Er ist der reinste und zuverlässigste Rosenduft, den ich kenne“.
Die geringe Ausbeute bei der Rosenölherstellung führte und führt immer wieder zu Verfälschungen. Oft wird es mit anderen ätherischen Ölen oder synthetischen Duftstoffen gestreckt, die dem Originalduft erstaunlicherweise sehr ähnlich sein können. Bei diesen Ölen aus dem Labor spielt allerdings meist nur der nachgebaute Duft eine Rolle, ihnen fehlen aber das fein abgestimmte Zusammenspiel der Einzelbestandteile und damit die lebendige Energie.
Anwendungen früher und heute
Das Wissen von der heilenden und schönheitsfördernden Wirkung der Rose existierte schon lange vor unserer Zeitrechnung. Bereits vor Jahrtausenden kannte man in Indien das Gulab (Rosen)-Attar auch als Heilmittel und in Arabien wurde in Rosenwasser gebadet, um das Schwitzen einzudämmen und die Haut zu glätten.
Der römische Schriftsteller Plinius d. Ä. (23-79 n. Chr.) schrieb getrockneten Rosen Linderung bei Zahnschmerz zu. Dioskurides (1. Jh. n. Chr.) empfahl Abkochungen von Rosenblättern gegen Kopfschmerzen. Der griechische Arzt Galen (5. Jh. n. Chr.) verordnet Rosensalbe gegen Pubertätsflecken und Rosenwasser zum Lindern bei Verletzungen. Im 12. Jh. n. Chr. rät Hildegard von Bingen zur Auflage von Rosenblättern bei entzündeten Augen. Und Paracelsus (16. Jh. n. Chr.) verwendete die Rose im „Specificum Odoriferum“ - einem Wohlgeruch zur Krankenbehandlung - und nutzte sie bei Schläfrigkeit, Kopfschmerz und Mattigkeit während Infektionen.
Heute kommt die Rose vor allem in Form ihres isolierten ätherischen Öls zum Einsatz. Die Aromatherapeutin Eliane Zimmermann beschreibt dessen umfassende Wirkung:
„Das Rosenöl kann durch seine Vielfalt als Allheilmittel bezeichnet werden, es kann bei fast allen Krankheiten mit Erfolg eingesetzt werden.“
Als wichtige Anwendungsgebiete des Damaszener-Rosenöls gelten: Bronchitis, wunde, trockene und entzündete Haut, Geschwüre, Herzrasen, Depressionen und Ängste, die Förderung der Genussfähigkeit im Allgemeinen und der Sinnlichkeit im Besonderen. Auch in der Sterbebegleitung und bei der Geburt findet das ätherische Rosenöl Anwendung. Durch seine harmonisierende Wirkung kann es Gefühle beruhigen, Ängste nehmen, Blockaden vorsichtig lösen und damit den Prozess des Loslassens unterstützen.
Neben ihrer Verwendung als Heilmittel wird die Rose auch als Kosmetikum genutzt – nicht nur wegen ihrer hautpflegenden Eigenschaften (zellregenerierend, kühlend, entzündungshemmend, desodorierend, antiseptisch) sondern auch aufgrund ihrer positiven seelischen Wirkung, denn „Schönheit kommt von innen“. So kann das Öl oder das Hydrolat der Damaszener-Rose für die Gesichts-, Körper- und Haarpflege genutzt werden.
Auch Aufgüsse aus Rosenblüten - meist gemischt mit anderen Drogen, innerlich als Tee oder als äußerliche Auflage - können z.B. bei Ängsten, zur Herzberuhigung, zur Blutreinigung oder äußerlich bei Hautproblemen angewendet werden.
Lassi, Ras el Hanout und Marzipan
Das feine Aroma der Rose ist in vielen Küchen der Welt zu Hause. Ein beliebtes Getränk in Indien ist das Lassi, ein mit Rosenwasser aromatisiertes Joghurtgetränk. In West- und Mittelasien wird Rosenöl für viele Süßigkeiten verwendet. Rosenblätter sind eine Zutat zur marokkanischen Gewürzmischung Ras el Hanout und in der Europäischen Küche braucht man Rosenwasser zum Aromatisieren von Marzipan. Probierfreudige Feinschmecker können auch Kuchen, Marmeladen, Desserts oder fruchtige Getränke mit der Damaszener-Rose abschmecken. Selbst eine Rosenblätter-Bowle wird von vielen geschätzt. Der Fantasie bei der Bereitung von Speisen sind hier keine Grenzen gesetzt.
Die Königin der Blumen
Seit dem Altertum wird die duftende Rose mit allen Superlativen der Anerkennung bedacht. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sie als „Königin der Blumen“ bezeichnet wird. Die Prägung dieses Begriffes um etwa 600 v. Chr. wird der griechischen Dichterin Sappho zugeschrieben.
„Wenn Zeus den Blumen eine Königin geben wollte, müsste die Rose diese Krone tragen*.“
Im alten Griechenland wurden heimkehrende Soldaten mit Rosenkränzen geehrt. Die Ägypter wuschen die Körper der Toten mit duftendem Rosenwasser und in Rom veranstaltete man rauschende Festgelage mit in verschwenderischer Menge von der Decke herabregnenden Rosenblättern. Bereits im 8. Jahrhundert nach Christus gab es in Persien einen blühenden Handel mit Rosenöl und Rosenwasser. Die Damaszener-Rose soll dann zur Zeit der Kreuzzüge nach Europa gebracht worden sein. Eine verschlungene rote und weiße Rose wurde nach Beendigung der sogenannten Rosenkriege im 15. Jh. zum Zeichen der Vereinigung der beiden britischen Häuser Lancester und York.
Verewigt ist die nahezu grenzenlose Verehrung der Rose auch in Literatur, Musik, Malerei, Bildhauerei und Architektur aller Zeiten.
Symbolik: Schönheit, Unschuld, Verschwiegenheit
In fast allen Kulturen und Religionen der Menschheit hat die Rose symbolische Bedeutung, die z.T. auch Widersprüchliches zeigt: sie gilt als Sinnbild der Vollkommenheit, der göttlichen und der sinnlichen Liebe, der Schönheit und Anmut, aber auch von Vergänglichkeit und Tod (weiße Rose). Sie ist die Blume der Jungfrauen, aber auch des Lasters. Die weiße Rose stand für Unschuld und Reinheit. In der Blumensprache nehmen Rosen einen bedeutenden Platz ein und auch Liebesorakel wurden mit ihnen vollzogen.
In der Symbolik des Christentums bedeutete sie, abgeleitet aus der einfachen Rose mit fünf Blütenblättern, die fünf Wundmale Christi. Maria, die Mutter Jesu, bezeichnete man als Rose ohne Dornen. In der mittelalterlichen christlichen Kunst wird Maria mit dem Kind oft vor einer Rosenhecke oder in einer Rosenlaube dargestellt. Die Pflicht zur Verschwiegenheit der Priester wurde durch eine in das Holz der Beichtstühle eingeschnitzte Rose dargestellt. Auch durch den antiken Brauch einer über den Tisch gehängten Rose sollte ausgedrückt werden, dass das unter Freunden Gesagte nicht ausgeplaudert werden sollte. Der Ausdruck „Sub rosa“ (unter der Rose) wurde zur stehenden Redewendung für vertrauliche Gespräche. Weitere christliche Symbole sind der Rosenkranz, dessen kleine Kugeln ursprünglich tatsächlich aus Rosen angefertigt wurden und die Luther-Rose, das Siegel, das Martin Luther ab 1530 für seinen Briefverkehr verwendete.
Ein heiliges Symbol ist die Rose auch für den Islam, da sie aus Mohameds Schweißtropfen entsprossen sein soll.
Dufterlebnis im eigenen Garten
Die „Heilpflanze des Jahres“ wird vom NHV Theophrastus seit dem Jahr 2003 gekürt. Ziel dieser Aktivität ist es, die Öffentlichkeit am Beispiel dieser Jahrespflanzen vor allem über die heilende Wirkung von Kräutern zu informieren. Eine unabhängige Jury hat dabei die Qual der Wahl: zwischen wohlbekannten und unbeachteten, heimischen und exotischen Kräutern, allgemein beliebten oder unpopulären Pflanzen.
Mit der bekannten und beliebten Damaszener-Rose kann sich der Hobbygärtner auch in unserem mitteleuropäischen Klima ein jährlich wiederkehrendes Dufterlebnis schaffen. Für ein gesundes Wachstum und eine üppige Blüte verlangt diese Rose einen humusreichen, lockeren, tiefgründigen und leicht sauren Boden. Sie liebt leichte Hanglagen mit Aufwinden, wo der Regen rasch abtrocknen kann. In der Regel sind die Sträucher winterhart, jedoch sollte vor allem - wie bei allen Rosen - die empfindliche Veredlungsstelle vor Wintersonne und niedrigen Temperaturen durch Anhäufeln mit einem Gemisch aus Mutterboden und Kompost geschützt werden. Mit einem Korrekturschnitt im Frühjahr und ein bisschen Glück dürfte so eine langjährige Freude an der Blumenkönigin gesichert sein.
2012
verwendete Literatur
Binkert, Dörthe Frauen und Rosen, Thiele Verlag GmbH, München-Wien 2012
Blaschek, Wolfgang, Hänsel, Rudolf, Keller, Konstantin: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Folgeband 3, Drogen L - Z, 5. Auflage, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1998
Brumme, Hella: Begleitheft zum Seminar Damaszener- und Portlandrosen, Europa-Rosarium Sangerhausen
de L'Aigle, Alma: Begegnung mit Rosen, Dölling & Galitz, München/Hamburg 2002
Europa-Rosarium Sangerhausen (Herausgeber): Rosenverzeichnis, 9. Auflage, 2012
Fischer-Rizzi, Susane: Himmlische Düfte, Aromatherapie; Anwendung wohlrichender Pflanzenessenzen und ihre Wirkung auf Körper und Seele, 8. korr. Aufl., Hugendubel, München 1992
Kaufhold, Peter: Die Rose - ein Pflanzenportrait, aus Der Heilpraktiker & Volksheilkunde 2 und 3/2005
Krähmer, Barbara: Natürlich heilen und pflegen mit Rosenöl, W. Ludwig Buchverlag in der Verlagshaus Goethestraße GmbH & Co. KG, München 1998
Ostermayr, B., Wölfel, A.: Rosa damascena - Eine homöopathische Arzneimittelselbsterfahrung, Hahnemann Institut - Privatinstitut für homöopathische Dokumentation GmbH, Greifenberg 1999
Raufuß, Roswitha: Die Rose ist nicht namenlos: Rosenkunde in Porträts, Books on Deman GmbH, Norderstedt 2008
Wabner, Dietrich: Duft des Herzens - Rosenöl, Schriftenreihe Rosenmuseum Steinfurth, hrsg. von Sabine Kübler, 1993
Wabner, Dietrich: Die Heil-Kunst der Rose, Schriftenreihe etherische Öle für Therapie, Kosmetik und Parfümerie, Natural Oils Research Association N.O.R.A. International, Garching bei München 2002
Zimmermann, Eliane: Aromatherapie für Pflege- und Heilberufe, 3., völlig überarbeitete Auflage, Sonntag Verlag, Stuttgart 2006
Internetseiten: www.welt-der-rosen.de, www.rose-office.com, www.luther.de