Gänseblümchen – Gesundes von der Wiese

Autor/en: 
Dipl.-Ing. (FH) Maria VogelPharmazie-Ingenieurin

„Er liebt mich … er liebt mich nicht …“ – als gerupftes Opfer des Liebes-Prognose-Spiels sowie als Kränzchenblume ist das Gänseblümchen selbst eingefleischten Großstädtern bekannt. Dabei kann die Blume viel mehr, sie hat sogar Heilwirkungen. Daher hat der NHV Theophrastus das Gänseblümchen (Bellis perennis) zur Heilpflanze des Jahres 2017 gekürt.

Wirkung trotz Null-Monographie

Gänseblümchen-Blüten wirken aufgrund des hohen Saponinanteils auswurffördernd bei Husten. Außerdem regt die Pflanze Verdauung und Stoffwechsel an, ist entzündungshemmend, wundheilend, leicht schmerz- und krampflindernd. Weiterhin beinhaltet sie Gerb- und Bitterstoffe, Flavonoide, organische Säuren (z. B. Essigsäure), etwas ätherisches Öl, Vitamin C und viele Mineralien und Spurenelemente.

Gänseblümchen haben durch nationale bzw. europäische arzneimittelrechtliche Regelungen eine sogenannte Null-Monographie erhalten. Das bedeutet einerseits, dass die Pflanze in der Anwendung als „unbedenklich“ eingestuft wurde, andererseits aber auch, dass (noch) kein ausreichender wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis vorliegt. „Eine fehlende wissenschaftliche Aufarbeitung – aus welchem Grund auch immer – bedeutet nicht automatisch Unwirksamkeit“, erklärt Konrad Jungnickel, Erster Vorsitzender des NHV Theophrastus. „Denn gerade das Wissen unserer Vorfahren, das ja größtenteils durch ‚Anwendungsbeobachtungen‘ entstanden ist, wurde schon vielfach durch neue wissenschaftliche Studien belegt. Deshalb dürfen wir auch heute von den überlieferten Erfahrungen profitieren.“ Und die zeigen eine breite Wirksamkeit und zahlreiche Einsatzmöglichkeiten.

Gänseblümchen für die Hausapotheke

Tee

Innerlich kann die Heilpflanze bei festsitzendem Husten helfen, indem ein aus Blüten und Blättern zubereiteter Tee (2 gehäufte Teelöffel auf ¼ Liter kochendes Wasser) getrunken wird. Außerdem dient dieser zur Anregung des Stoffwechsels bei Hauterkrankungen (Milchschorf, Ekzeme) und bei rheumatischen Erkrankungen. Er kann Menstruationsbeschwerden lindern und die Verdauung günstig beeinflussen.

Honig

Gänseblümchen-Honig, eventuell gemischt mit anderen Hustendrogen wie z. B. Thymian oder Fichtentrieben, hilft nicht nur beim Schleim abhusten, sondern schmeckt auch gut. Für die Zubereitung wird ein dunkles Glas schichtweise mit den Pflanzenteilen und flüssigem Honig gefüllt. Das sollte etwa drei Wochen lang bei Zimmertemperatur ziehen. Bei Husten kann man dreimal täglich einen Teelöffel voll einnehmen.

Auflage

Gemeinsam mit vielen anderen Medizinern der Vergangenheit war Leonhart Fuchs (1501–1566) überzeugt, dass „das klein Maßlieblin ist ein recht wundkraut“.

„Sein safft getruncken ist gut denen so verwundt seind. Die bletter grün zerstossen/unnd auf die hitzigen wunden gelegt/heylet dieselbigen.“

Wer also nicht nur „englischen Rasen“ in seinem Garten haben will und jedes „Un-Kraut“ daraus verbannt, hat eine einfache und schnelle Hilfe für kleine Wunden zur Hand. Ein frisches, zerquetschtes Maßliebchen-Blatt oder eine in einem Aufguss (doppelt so stark wie Tee) getränkte Auflage lässt sie schneller heilen, beugt Entzündungen vor und kann bei Insektenstichen helfen.

Verreibung

Zur Herstellung einer Verreibung werden die klein geschnittene Pflanze und Milchzucker im Verhältnis 1:1 verwendet. Beides wird im Mörser verrieben, bis ein gleichmäßiges Gemisch entsteht. Dieses kann auf einem Blech bei etwa 50 °C im Backofen oder auf einem Leinentuch an der Luft getrocknet werden. Kühl, trocken und dunkel aufbewahrt, hält sich das Pulver etwa drei Monate. Mit der Einnahme von dreimal täglich einer Messerspitze dieser Gänseblümchen-Verreibung kann der Stoffwechsel aktiviert werden.

Tinktur

Eine Tinktur wird aus einer Handvoll Gänseblümchen-Blüten gewonnen, die mit 40%igem Alkohol übergossen werden. Die Blüten müssen vollständig bedeckt sein. Der Ansatz wird täglich geschüttelt, nach drei Wochen abgefiltert und in dunkle Flaschen gefüllt. Die Tinktur dient zur Einreibung oder für Umschläge bei Blutergüssen, Prellungen, Quetschungen und Verstauchungen. Eine Mischung von 50 ml Tinktur und 150 ml Gänseblümchen-Tee ergibt ein Gesichtswasser, das bei Akne wirksam ist.

Gesichtspackung

Eine Gesichtspackung, die Unreinheiten vorbeugt und die Haut pflegt, ist schnell hergestellt, indem zwei Esslöffel Heilerde und ein Teelöffel Honig mit so viel Gänseblümchen-Tee angerührt werden, dass ein streichbarer Brei entsteht. Auf die Haut aufgetragen, lässt man diese Packung zehn Minuten einwirken und wäscht sie danach mit lauwarmem Wasser ab.

Homöopathie

Als homöopathisches Mittel hilft Bellis perennis vor allem Frauen, die zu einem empfindlichen Unterleib neigen. „Es ist besonders gut bei Prellungen der weiblichen Brust oder bei Traumata im Bereich der Beckenorgane anzuwenden. Bellis perennis wirkt zart, aber sehr tief ins Bindegewebe hinein“, berichtet Christina Schäfer aus ihrer Praxis. Die Heilpraktikerin ist Vorsitzende der vom NHV Theophrastus beauftragten Jury für die Kür der Heilpflanze des Jahres.

Generell gilt, dass Heilpflanzen möglichst auf unbelasteten Böden gesammelt werden sollten, die abseits von stark befahrenen Straßen liegen. Dann können sie bei sachgerechter Anwendung sanfte Alternative oder Ergänzung zu synthetischen Arzneimitteln sein.

Vorname: Bellis – Nachname: perennis

Gänseblümchen – Heilpflanze des Jahres 2017 © Gabriele Hanke

Gänseblümchen – Heilpflanze des Jahres 2017 © Gabriele Hanke

Der wissenschaftliche Name des Gänseblümchens leitet sich vom lateinischen „bellus“ (schön, hübsch) ab, „perennis“ bedeutet „ausdauernd“. Im deutschsprachigen Raum existieren unzählige, regional unterschiedliche Synonyme für die „Ausdauernde Schöne“. Seinen üblichsten Namen soll das „Gänseblümchen“ von dem häufigen Vorkommen auf Gänseweiden bekommen haben. Die Bezeichnung „Maßliebchen“ wird auf das germanische „mas“ (Wiese) und „lief“ (Blatt) zurückgeführt. Der volkstümliche Name „Kindsblümle“ weist darauf hin, dass das hübsche Blümchen eine starke Anziehung auf Kinder besitzt – ob im selbstgepflückten Blumensträußchen für Mama oder als geflochtenes Kränzchen im Haar.

Klein, aber zäh

Gänseblümchen sind mehrjährige immergrüne Pflanzen. Sie bilden mit ihren Blättern eine dicht am Boden liegende Rosette. Das macht sie unempfindlich für Tritte. Außerdem ermöglicht es den Pflanzen, sich in Wiesen zu behaupten, weil sie dadurch das Graswachstum unterdrücken. Obwohl der Rasen meist regelmäßig gemäht wird, treiben aus der Mitte der Rosette unentwegt bis zu 15 cm hohe Blütenstängel. Auf diese Vitalität und Widerstandsfähigkeit stützen sich die Heilanzeigen nach der Signaturenlehre bei Schlägen, Stürzen und Verletzungen – auf körperlicher wie auch auf emotionaler Ebene.

Die Pflanzen blühen 10 Monate, bei milden Wintern sogar ganzjährig. Einzeln wirken die Blüten schlicht, aber anmutig. Wenn jedoch die Hauptblütezeit im April und Mai gekommen ist, dann sind Grünflächen oft mit prächtigen weiß-gelben Blumenteppichen geschmückt. Die Blütenköpfchen des Gänseblümchens drehen sich nach dem Lauf der Sonne, weil das Pflanzengewebe der lichtabgewandten Seite schneller wächst, als das der lichtzugewandten Seite. Nachts und bei Regen schließen sie sich.

Die Pflanze vermehrt sich einerseits generativ (geschlechtlich) über Samen, die durch Wind und Ameisen verbreitet werden, andererseits vegetativ (ungeschlechtlich) durch Ausläufer des Wurzelstocks.

Gänseblümchen besitzen nur wenig Nektar und Pollen. Aufgrund ihrer langen Blühdauer sind sie jedoch trotzdem für Honigbienen eine gute Nahrungsquelle in nektararmen Zeiten.

„Gold im Herzen und Silber auf dem Kleid“

„Sollten Sie glücklicher Besitzer eines Gartens sein, dann haben Sie keine Angst vor Wildkräutern, die sich in Ihrer Wiese ansiedeln! Viele davon sind unsere grünen Freunde und Helfer“, ermuntert Konrad Jungnickel.

Neben der medizinischen Anwendung kann das Gänseblümchen sogar mit in den Speiseplan einbezogen werden: Die Blätter sind eine leckere Ergänzung für grüne Salate, Blüten schmecken nussig in einer Gemüsesülze und auf Butterbrot, oder sie sind eine Augenweide auf Suppen und anderen Speisen. So gehören sie beispielsweise in die „Neunkräutersuppe“, der reinigende Heilkraft zugeschrieben wurde. Die Knospen, in Essig eingelegt, sind als Kapern-Ersatz bekannt.

Die vielseitigen Stärken der Pflanze sind Grund genug, um mit der Lerche aus Hans Christian Andersens Märchen „Das Gänseblümchen“ freudig zu singen:

„Welch liebliche, kleine Blume mit Gold im Herzen und Silber auf dem Kleide!"

Der NHV Theophrastus setzt sich für die Verbreitung naturheilkundlichen Gedankengutes bei Jung und Alt ein. Seit 2003 kürt der Verein jährlich eine „Heilpflanze des Jahres“. Bestimmt wird diese durch eine unabhängige Jury, welcher Ärzte, Heilpraktiker und Wissenschaftler angehören. Vorgänger des Gänseblümchens sind unter anderem Salbei, Tausendgüldenkraut, Zwiebel und Kubebenpfeffer.

2016


Verwendete Literatur (Auswahl):

Bäumler, Siegfried: Heilpflanzenpraxis heute, Sonderausgabe der 1. Auflage, Elsevier Urban & Fischer Verlag, München 2007

Bühring, Ursel: Nussige Daisy aus „Natürlich“ 3-2005, AZ Fachverlage AG Redaktion «natürlich», Aarau, Schweiz

Bühring, Ursel: Praxislehrbuch Heilpflanzenkunde: Grundlagen – Anwendung – Therapie, 4. überarbeitete Auflage, Verlag Karl F. Haug (Thieme Verlagsgruppe), Stuttgart 2014

Fuchs, Leonhart: New Kreuterbuch, Nachdruck der Baseler Ausgabe durch M. Isingrin von 1543 mit frdl. Genehmigung des Originalverlages, VMA-Verlag, Wiesbaden 2002

Girsch, Michaela: 5 Heilpflanzen für Kinder, aus Naturheilpraxis 05/2007, Richard Pflaum Verlag GmbH & Co. KG

Mehrwald, Renate Petra: Keine Angst vor wilden Pflanzen, aus Natur & Heilen 04/07

Radmayr, Christine: Kräuter-Verreibungen für die Hausapotheke, aus Natur & Heilen August 2014

Ziegler, Irene: Schön mit Gänseblümchen, aus Liebes Land 07/2014, Klambt-Verlag GmbH & Co. KG, Baden-Baden


Internetseiten:

http://flora-emslandia.de/wildblumen/asteraceae/bellis/bellis_perennis2.htm

http://gutenberg.spiegel.de/buch/hans-christian-andersen-m-1227/68

http://www.die-honigmacher.de/kurs2/pflanze_140.html

http://www.zuechtungskunde.de/

Dipl.-Ing. (FH) Maria VogelPharmazie-Ingenieurin