Theophrastus Bombastus von Hohenheim entstammte dem schwäbischen Adelsgeschlecht der Bombaste von Hohenheim und wurde 1493 bei Einsiedeln, einem bekannten Wallfahrtsort der Innerschweiz, in der Nähe der Teufelsbrücke geboren. Sein Vater Wilhelm war dort als Pilgerarzt tätig und seine Mutter, eine Leibeigene des Klosters Einsiedeln, beaufsichtigte die Krankenpflegerinnen im Klosterhospital. Vater Wilhelm siedelte 1502 nach dem Tod seiner Frau nach Villach in Kärnten über und arbeitete dort als Stadtarzt. Kärnten wird für den jungen Theophrastus neben der Innerschweiz zum „anderen“ (= zweiten) Vaterland. Nach dem Unterricht beim Vater, der in ihm die Liebe zur Medizin geweckt hatte, und diversen Klosterschulen kam er mit 16 Jahren zunächst an die Universität Basel. 1515 promovierte er zum Doktor der Medizin an der seiner Zeit bedeutenden oberitalienischen Universität Ferrara. Danach begann für Theophrastus Bombastus von Hohenheim die erste Lehr- und Wanderperiode. Von großem Wissensdurst gedrängt und dem Bestreben, Erfahrungen zu sammeln und anzuwenden, durchwanderte der Hohenheimer nahezu alle europäischen Staaten. Es zog ihn von Dänemark und den Niederlanden nach Westeuropa bis nach Spanien und Portugal. Er besuchte Polen, Dalmatien und kam bis Konstantinopel. Er nahm als Wundarzt an Kriegen teil, besuchte skandinavische und österreichische Bergwerke. Er lernte die Hüttenkunde und die Alchemie, sprach mit Gelehrten, Badern, Schäfern, Kräuterkundigen und Scharfrichtern. Erste Schriften entstanden.
1524 ließ sich Theophrastus von Hohenheim in Salzburg nieder. Die Bauernkriege flammten auf. Er hatte sich in Salzburg mit den kämpfenden Bauern solidarisiert, die durch die sich ausbreitende Reformation inspiriert sich selbst gegen Ungerechtigkeit und Missstände wehrten. So musste er Salzburg schon bald fluchtartig verlassen und seine Habseligkeiten zurücklassen. Er ging nach Straßburg und erwarb im November 1526 in der freien Reichsstadt das Bürgerrecht. Straßburg war eine geistig sehr rege Stadt und als Druckort für Werke der Renaissance und des Humanismus bekannt. So hoffte er hier, seine ersten Schriften drucken zu lassen.
Theophrastus von Hohenheim war ein gründlicher, eigenständiger und tief gläubiger Denker und Forscher. Er nahm aber auch an den Problemen der Gesellschaft großen Anteil und verarbeitete Zeitfragen und Eindrücke in seinen Schriften. Durch die Wahrnehmung seiner Umwelt sowie der direkten und hellsichtigen Beobachtung der Natur und deren Gesetze entwickelte Paracelsus eine eigene Naturphilosophie. Dies nannte er „Lesen im Buch der Natur“. Die theologisch-philosophischen Überlegungen und Erkenntnisse auf der Basis der Bibel waren der Boden, auf dem auch sein medizinisches Lehr- und Therapiesystem wuchs. Der Zusammenhang von ärztlicher und priesterlicher Tätigkeit am Kranken sowie das Verständnis, dass die wahre Heilung nur durch Gottes Gnade erfolgt, waren für Paracelsus grundlegende Überzeugungen. Hervorzuheben ist seine Erkenntnis, dass für eine umfassende Heilung neben der Behandlung des Leibes auch die Behandlung der Seele notwendig ist. Eine erfolgreiche Behandlung des Buchdruckers und Humanisten Froben förderte 1527 seine Berufung zum Stadtarzt und Professor der Universität Basel. Er glaubte, hier heimisch werden zu können und seine Erkenntnisse lehren zu dürfen. So nannte er sich Paracelsus und hielt die Medizinvorlesungen in Deutsch statt im traditionellen Latein. Damit wollte er einen Umbruch in der Medizin einleiten. Als Arzt war es Paracelsus wichtig, eine Krankheit erst ursächlich zu begreifen und dann zu heilen. Er wandte sich immer wieder gegen die althergebrachte Humorallehre, die Vier-Säfte-Lehre, welche den Kranken auf ein Missverhältnis verschiedener Körpersäfte reduziert. So entwickelte er im Laufe seines Lebens ein ganzheitliches Krankheits-, Heilungs- und Therapieverständnis. Denn mit dem Verschwinden von Symptomen wird keine echte Heilung erzielt, sondern eine Heilung muss an der individuellen Ursache der Krankheit ansetzen. Diese kann bei gleichen Symptomen völlig unterschiedlich sein. Für ihn gab es keine normierten Krankheiten und damit auch kein „Schema-F“ zur Therapie. Nur wenn die Ursache erkannt und behandelt wird, und dies setzte Paracelsus bei einem guten Arzt voraus, dann kann von echter Heilung im paracelsischen Sinne gesprochen werden. Sonst handelt es sich lediglich um Unterdrückung der Symptome. Um die Krankheitsursache zu erkennen, entwickelte Paracelsus ein Lehrgebäude, welches nicht nur die sicht- und greifbare Welt, sondern auch die unsichtbaren Teile des Menschen, der Natur und des Kosmos mit einschloss.
In Basel geriet Paracelsus in Streit mit Ärzten und der Fakultät, da er ihren Dünkel und gewinnorientiertes Therapieren geißelte. Gleichzeitig brachte er die Apotheker gegen sich auf, da er die Missstände in den Apotheken aufdeckte. Nach einem Gerichtsentscheid über ein verweigertes Behandlungshonorar reagierte er so erbost, dass er im Februar 1528 Basel fluchtartig verlassen musste. So begann seine zweite Wanderperiode, die ihn die restlichen 13 Jahre seines Lebens durch Süddeutschland, die Schweiz, Böhmen und Österreich führte. In dieser Zeit entstanden die meisten seiner medizinisch-naturwissenschaftlichen als auch seiner theologischen Schriften. Zeitweise war er auch als Wanderprediger tätig.
Im Weltbild des Paracelsus stellen Harmonie und Ordnung ein wichtiges Prinzip dar. Dieses spiegelt sich im Makrokosmos, also in der Schöpfung, im Weltall. Denken wir an den Lauf der Planeten, die Folge der Jahreszeiten, die Kraft des Samenkornes. Und ebenso sollte sich der Mikrokosmos Mensch in Harmonie befinden. Die Persönlichkeit, bestehend aus Geist, Seele, Leben und dem Leib als Instrument der Persönlichkeit, sollte eine Einheit bilden. Kosmos und Mensch, Makrokosmos und Mikrokosmos durchdringen einander. Für Makrokosmos und Mikrokosmos gelten die gleichen Gesetze. Der Mensch hat eine Sonderstellung im Kosmos, da nur er denken, empfinden und wollen kann.
Für Paracelsus war der Mensch Ziel und Mitte der Welt. Durch die Zusammenfügung des Göttlichen und Natürlichen im Menschen ist dieser zur Erkenntnis und damit zur Liebe fähig. Der Mensch steht wie alle Geschöpfe Gottes in der göttlichen Ordnung. Aus dieser Ordnung kann der Mensch nicht entfliehen. Aber er kann sich entscheiden, ob er dieser Ordnung folgt oder nicht. So kann er im Sinne der göttlichen Ordnung leben und das christliche Gesetz der Nächstenliebe erfüllen oder es verletzen. Die Disharmonie, die aus einer Übertretung der göttlichen Ordnung entsteht, ist für Paracelsus die philosophische Ursache der Krankheit.
Darüber hinaus hat er in seiner Entienlehre fünf allgemeine Krankheitsursachen (Entien) beschrieben, die gleichzeitig die Grundlage seiner Therapie waren:
Diese sind
• 1. Ens astrale: Einflüsse der Gestirne und anderer unsichtbarer Einflüsse auf den Leib
• 2. Ens veneni: durch Körper und Psyche aufgenommene Gifte und dadurch ungenügender Stoffwechsel
• 3. Ens naturale: Disharmonie im Zusammenspiel der Organsysteme
• 4. Ens spirituale: Die Macht der Einbildung, des Vorurteils und des Fluches
• 5. Ens dei: Krankheiten aus dem Schicksal
Paracelsus definierte in seinem Buch „Paragranum“ die Anforderungen an einen Arzt, und nannte sie: Die vier Säulen der Heilkunst. Demnach wird ein wahrer Arzt aus vier Quellen gespeist:
- Die Philosophie: darunter verbirgt sich jene höhere Erkenntnis, welche aus Liebe und Weisheit entsteht und der Schlüssel zur Erkenntnis der Wahrheit ist.
- Die Astronomie: hier werden die Gesetze der Wechselwirkungen von Makrokosmos (Gestirn) und Mikrokosmos (Mensch) aufgezeigt.
- Die Alchemie: darunter versteht Paracelsus sowohl die Arzneimittelherstellung (Spagyrik) als auch das gesamte biologische Geschehen in der Natur.
- Die Tugend: diese umfasst die ethische und moralische Tauglichkeit des Arztes und bezieht sich auf Erkenntnis, Verantwortung, Redlichkeit, Wahrhaftigkeit, Nächstenliebe eingebettet in ein kosmisches Weltbild.
Paracelsus diktierte am 21.September 1541 in Salzburg sein Testament und verstarb drei Tage später am 24.September. Er hinterließ eine Fülle an Erkenntnissen, Überlegungen und Erfahrungen. Was bleibt nun von Paracelsus? Beispielhaft seien hier genannt: seine bahnbrechenden Leistungen des medizinischen Fortschrittes an der Schwelle zur Neuzeit wie die erste Beschreibung einer Berufskrankheit der Bergleute in den „Bergkrankheiten“, seine Erkenntnis und Beschreibung psychischer Krankheiten und der Heilpflanze Johanniskraut, seine Grundüberlegungen zu Frauenkrankheiten, die Entwicklung der Chemie aus der Alchemie, seine Erkenntnisse zur Dosis, welche Samuel Hahnemann in der Homöopathie verarbeitete und noch Vieles mehr. Doch das Eigentliche, was wir heute von Paracelsus lernen können, ist das Streben nach Erkenntnis in Verbindung mit der Liebe zum Patienten und dem Festhalten an den Idealen, welche als gut und richtig gefunden wurden. Denn so schrieb Paracelsus: „Der höchste Grund der Arznei ist die Liebe.“
Dezember 2024
veröffentlicht im Magazin "Die Naturheilkunde"/6-2024
Literatur:
Paracelsus: Vom Licht der Natur und des Geistes, Hrsg. Kurt Goldammer, Verlag Philipp Reclam jun., Stuttgart, 1960, S. 3–31
Paracelsus: Lebendiges Erbe, Hrsg. Jolan Jacobi, Reichl Verlag, St. Goar, 2002 (Nachdruck), S. XV–LIV
Paracelsus: Sämtliche Werke, Hrsg. Karl Suddhoff, R. Oldenburg, München, Berlin, 1922–1933, Bd. VII, S. 369