Wie in anderen europäischen Bergrevieren hat Paracelsus auch im sächsisch-böhmischen Erzgebirge Gespräche geführt mit
„Erzleuten, Schmelzern, Knappen und was den Bergwerken verwandt ist, es sey im Waschwerck, im Silber- oder Goldertz, Salzertz, Alaun vnnd Schwefelertz oder in Vitriolsudt, in Bley, Kupffer-, Zwitter- Eisen- oder Quecksilberertz“.
Auch Probierer, Münzmeister, Goldschmiede und Alchemisten bezog er in seine Gespräche ein:
„...eben alle, so in Metallen und Mineralien arbeyten“.
So entstand über Jahrzehnte sein Erfahrungswissen über die Erkrankung der Atmungs- und Verdauungsorgane der im Bergbau und in den Hütten arbeitenden Menschen.
Bergwerksarbeit war eine schwere Arbeit. Kinder gingen oft schon mit acht bis neun Jahren auf die Scheidebank, um mit für sie viel zu schweren Hämmern Erzbrocken zu zerkleinern, dabei atmeten sie Staub, Gesteinsmehl, ja auch Arsenikdämpfe ein. Als 12 bis 13jährige wurden sie Bergjungen, schoben Karren oder drehten die Haspel. Zwischen Wohnung und Grube lagen bereits vor Schichtbeginn oft weite Anmarschwege. Vor der Einfahrt in den Schacht erfolgten Gebet und Lied in der Betstube mit der Bitte an Gott um glückliche Wiederkehr:
„Mein Grubenlicht soll Jesu sein, mit ihm da fahr ich aus und ein“
So lautete ein altes Bergmannslied. Anfangs stiegen die Bergleute auf Fahrten (also Leitern) in die Tiefe, später erst brachte der Seilzug oder die Rutsche eine Erleichterung. Zuweilen lag der Arbeitsplatz mehrere hundert Meter in der Tiefe.
Aus dem Jahre 1516 stammt eine Plastik, die der Bildhauer Franz Maidburg für die Annaberger Hallenkirche geschaffen hat. Sie zeigt einen mit Schlägel und Eisen arbeitenden Bergmann. Seine Kleidung besteht aus einem knielangen Leinenkittel, der mit einem Gürtel gerafft ist. Ein Knieschutz und eine Kappe schützen vor Verletzungen, das Arschleder vor Feuchtigkeit beim gebückten Arbeiten und beim Rutschen in die Grube. Die Bergmannsarbeit war schwer in den engen und schmalen Grubenbauen. Mit Schlägel und Eisen wurde etwa ein Vortrieb von 15 cm pro Häuer und Woche geschlagen. Stumpfe Eisen mussten ausgewechselt und nach der Schicht in der Bergschmiede geschärft werden.
Schon 1480 war im Freiberger Raum der Begriff „bergsüchtig“ mit „arbeitsunfähig“ gleichgesetzt worden. Hohe Staubbelastung, schlechte Bewetterung – besonders im ausziehenden Bereich – und mangelnde Helligkeit erschwerten die Arbeit, denn der Arbeitsplatz war nur erhellt durch den Lichtkreis der Grubenlampe. Die Sehnsucht der Bergleute nach Licht, ihre Liebe zur Helligkeit, äußert sich noch heute in der Ausstellung von Schwippbögen in den Fenstern erzgebirgischer Häuser.
Das von Paracelsus nach etwa 10jähriger Arbeit am Manuskript abgeschlossene Buch „Von der Bergsucht / und anderen Bergkrankheiten drey Bücher inn dreyzehn Tractat verfast unnd beschriben worden, Darinnen begryffen vom vrsprung vnd herkomen derselbigen kranckheiten=sampt jhren warhafftigen Preseruatiua vnnd Curen...“ gilt als erste Monographie einer Berufskrankheit der Bergleute und Hüttenarbeiter. Er nennt im ersten Teil die Bergsucht eine Verharzung der Lungen. „Die Bergleut“, schreibt er, „werden lungensüchtig durch die Ausstrahlung der Mineraliae in der Erde. Also tödten uns die Dünst solcher Mineralien“.
Im zweiten Teil wendet er sich auch an die Hüttenleute, denn er hat beobachtet, dass jedes geschmolzene Erz spezifische Krankheitssymptome hervorruft. Hüttenrauch setzt sich in den Lungenflügeln ab und schädigt die Nieren und den Magen. Er warnt besonders vor dem Einatmen von Arsenik und Realgar. Als Hilfe empfiehlt er Milch und fettreiche Nahrung gegen die Metallsalze und den Hüttenrauch. Aber bei den niedrigen Lohnverhältnissen konnten sich das nur wenige Bergleute leisten.
Im dritten Buch beschäftigt er sich mit den durch Quecksilber hervorgerufenen Krankheiten. Er könnte sich über die erzgebirgischen Zinnoberfunde bei Hartenstein informiert haben, die verglichen mit anderen Lagerstätten mengenmäßig kaum ins Gewicht fielen.
NHV Theophrastus, 2002
Foto: Ausschnitt aus dem Annaberger Bergaltar, Hans Hesse, 1522/23. Der Bergaltar steht in der St. Annenkirche zu Annaberg-Buchholz. © wikimedia commons, gemeinfrei