Für die mehrheitliche Wahl der Heilpflanze wurden von den Jury-Mitgliedern verschiedenste Gründe mitgeteilt:
„Ich schätze die Gewürznelke besonders als Bestandteil von belebenden Präparaten, wenn ich am Abend noch einmal konzentriert Höchstleistungen vollbringen muss…“
…erklärte ein Jury-Mitglied. An anderer Stelle wurde ihre in den letzten Jahren gewachsene Bedeutung als Abwehrmittel gegen Insekten hervorgehoben. Und nicht zuletzt war mehrfach ein entscheidendes Kriterium der traditionelle Einsatz der Gewürznelke in der Zahnheilkunde und als Mundpflegemittel, bei dem besonders die schmerzstillende, entzündungshemmende und antibakterielle Wirkung im Vordergrund steht.
Der Verein NHV Theophrastus, der insbesondere traditionelle Heilkunde fördert und verbreitet, möchte mit der „Heilpflanze des Jahres“ auf Kostbarkeiten der Natur hinweisen, die durch einen sinnvollen Gebrauch – und sei es auch „nur“ als Gewürz – manches Leid lindern oder heilen können.
Name
Der deutsche Name Nelke leitet sich aufgrund der äußeren Form von Nagel (althochdeutsch: nagal) ab. Der botanische Gattungsname Syzygium ist zurückzuführen auf das griechische „syzygos“, welches „gepaart“ oder „vereinigt“ bedeutet und auf die zu einer Haube verwachsenen Blütenblätter hinweist.
Anbau und Botanik
Der etwa 15 Meter hohe immergrüne Baum stammt ursprünglich von der indonesischen Inselgruppe der Molukken. Er benötigt zum Gedeihen tropisches Klima mit hoher Luftfeuchtigkeit und ist daher fast ausschließlich auf Inseln der feuchtheißen Klimazonen anzutreffen. Heute wird er z. B. auf Madagaskar, Sansibar, Sri Lanka sowie in den Tropen Amerikas kultiviert.
Der Nelkenbaum gehört zur Familie der Myrtengewächse (Myrtaceae). Er wird aus Samen gezogen, die eine Keimfähigkeit von nur wenigen Wochen besitzen. Die jungen Pflanzen sind empfindlich, sie bevorzugen Schatten, eine vor Wind geschützte Lage und einen feuchten Boden, vertragen jedoch keine Staunässe. Gut erkennbar ist der jugendliche Baum an seinem typischen pyramidalen Wuchs. Im Alter von etwa fünf Jahren kann eine erste Ernte erfolgen.
Sobald die Regenzeit eingesetzt hat – in Indonesien ca. von November bis April – beginnt die Pflanze stark zu treiben. Knospen bilden sich nur aller zwei Jahre an vollständig ausgebildeten Zweigen. Es dauert dann 6–8 Monate, bis die Knospen voll entwickelt sind – eine für tropische Bäume sehr lange Reifezeit! Werden die Knospen nicht geerntet, reifen die Früchte nach weiteren 3 Monaten aus.
Ernte
Kurz bevor sich die Knospen zu Blüten öffnen, müssen sie geerntet werden, da sie dann den höchsten Gehalt an Wirkstoffen besitzen. Der richtige Zeitpunkt für die Ernte dauert nur wenige Tage. Zu späte Ernte bedeutet einen drastischen Rückgang des Fettgehaltes und des Gewürzwertes der Nelke. Von den Bäumen wird 3 bis 8 Mal in einer Erntesaison gepflückt. Diese kann sich in Abhängigkeit vom Beginn und der Intensität der Trockenzeit ändern. In Ost-Java ist die Haupt-Erntezeit Mai/Juni. Das Sammelgut wird für die Gewürzgewinnung in der Sonne getrocknet.
Inhaltsstoffe
Alle Teile des Baumes enthalten ätherisches Öl. Verschiedene Extrakte und das durch Destillation aus den Blütenknospen oder auch Blättern gewonnene ätherische Öl sind für die Medizin von Bedeutung. Hauptbestandteil des ätherischen Öls ist Eugenol, welches über eine lokal betäubende Wirkung verfügt. Außerdem sind in der Gewürznelke z. B. Flavonoide sowie Gerbstoffe enthalten.
Verwendung
Nach Einschätzung der amtlichen Kommission E wird die Gewürznelke für entzündliche Veränderungen der Mund- und Rachenschleimhaut und zur lokalen Schmerzstillung in der Zahnheilkunde empfohlen.
Traditionell werden der exotischen Heilpflanze außerdem appetitanregende, blähungstreibende, krampflösende und verdauungsfördernde Eigenschaften zugeschrieben sowie die Besserung unangenehmen Mundgeruchs. Auch als unterstützendes Mittel bei rheumatischen Erkrankungen kann sie hilfreich sein.
Auf eine richtige, vorsichtige Dosierung sollte man bei ätherischem Gewürznelkenöl achten, denn es kann Haut und Schleimhaut reizen. Deshalb darf es nur verdünnt angewendet werden. Auch in der Schwangerschaft sollte das Nelkenöl nicht verwendet werden, da es unter Umständen Wehen auslösen kann.
Die Gewürznelke ist in fast allen Küchen der Welt zu Hause und kann zu herzhaften wie auch zu süßen Gerichten verwendet werden. Sie ist des Öfteren Bestandteil von Gewürzmischungen oder -saucen, z. B. von Curry-Pulvern oder der Worcester-Sauce und gehört zu dem chinesischen „Fünf-Gewürze-Pulver“. In Deutschland ist die Nelke vor allem in der kalten Jahreszeit wegen ihrer erwärmenden Eigenschaft eine unverzichtbare Würze für Glühwein oder dessen alkoholfreie Alternativen.
Gegenwärtig werden allein in Indonesien etwa 50 % der jährlichen Welternte verbraucht, jedoch nicht als Arznei oder Gewürz, sondern als Zusatz in Zigaretten – die sogenannten „Kretek“ enthalten ca. 1/3 geschrotete Nelken.
Die Qualität der Nelken kann man testen, indem man sie ins Wasser legt. Wenn sie untergehen oder mit dem Stiel nach unten im Wasser schwimmen, ist dies ein Zeichen für gute Ware – es ist noch genügend ätherisches Öl enthalten. Minderwertige Nelken schwimmen waagerecht auf dem Wasser.
Historisches
Schon aus der Zeit vor Christus gibt es Hinweise für die Verwendung der Gewürznelke. So wurden im alten China die Nelken nicht nur zum Kochen verwendet, sondern auch zur Raumbeduftung. Eine Überlieferung besagt, dass sich ein Höfling dem Kaiser nur mit einer Nelke im Mund nähern durfte – schon damals gab es Leute mit schlechtem Mundgeruch.
Hildegard von Bingen (1098–1179) nannte das Gewürz „nelchin“ und bereitete daraus zusammen mit Muskatnuss und Zimt die „Nervenkekse“, ein wohlschmeckendes Gebäck, welches die Sinnesorgane stärken und deren Alterung verhindern soll.
Wegen ihres starken Aromas waren die Gewürznelken auch ein wichtiger Bestandteil von Pestmitteln. Deshalb trugen die Ärzte des Mittelalters bei Epidemien Ketten aus Nelken um den Hals.
Auch der bekannte Arzt Theophrastus Bombastus von Hohenheim (1493–1541) betonte: „Die Gewürze und ähnliche Kräuter haben die große Tugend, große Dinge bei vielen Krankheiten zu vollbringen.“ Er empfahl die Nelken zum Beispiel als Stärkungsmittel für die Verdauung.
Und Sebastian Kneipp (1821–1897) gebrauchte das Nelkenöl „…gegen faule Gase und verdorbene, faule Säfte und Stoffe im Magen“.
Ausblick
Neuere wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich mit den Wirkungen der Gewürznelke im Magen-Darm-Trakt. Außerdem sind auch die an Zellkulturen festgestellten positiven Effekte von Gewürznelkenextrakten auf den Glukosestoffwechsel interessant. Bisher existieren allerdings noch keine wissenschaftlichen Studien für diese Anwendungen am Menschen. Deshalb wäre es zu begrüßen, wenn weitere pharmakologische Forschungen stattfänden, welche neue oder die aus der Erfahrungsmedizin bekannten Wirkungen bestätigen.
2009
Quellen (Auswahl)
Aschner, Bernhard: Paracelsus, Sämtliche Werke Band 2, Verlag von G. Fischer, Jena, 1926
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De Guzman, C.C., Siemonsma, J.S. (Hrsg.): Plant Resources of South-East Asia No. 13, Spices, Backhuys Publishers, Leiden, 1999, S. 211–218
Madejsky, M., Rippe, O.: Die Kräuterkunde des Paracelsus, AT Verlag, 2006
Strehlow, Wighard: Hildegard-Heilkunde von A–Z, Verlagsgruppe Weltbild GmbH, Augsburg, 2007
Vonarburg, Bruno: Homöotanik 4, Extravagante Exoten, Haug-Verlag, 2005