Schon damals nutzten die Menschen die Heilkräfte der Zwiebeln und Lauchgewächse. In der Wüste, nach seinem Auszug aus Ägypten, träumte das Volk Israel nicht nur von den Fleischtöpfen, sondern auch:
„Wir denken an die Fische, die wir in Ägypten umsonst zu essen bekamen, an die Gurken und Melonen, an den Lauch, an die Zwiebeln und an den Knoblauch.“
(4. Mose 11,5)
Über die Alpen kamen die Lauchgewächse mit den römischen Soldaten. Heute sind Zwiebeln nach Tomaten das beliebteste Gemüse der Deutschen. Und nicht nur das: Auch Biologielehrer lieben die Zwiebel, um am Mikroskop zu demonstrieren, wie der Aufbau der pflanzlichen Zelle ist. So haben schon Generationen von Schülern an ihr herumgeschnitzt, Schichten zerlegt und Häutchen auf Objektträger gepresst.
Vom Mikroskop zur medizinischen Forschung ist es nicht weit: In einer amerikanischen Studie, die Gesundheits- und Ernährungsdaten tausender Menschen auswertet, haben italienische Forscher festgestellt:
„Unsere Ergebnisse bestätigen die Schutzfunktion von Zwiebeln beim Risiko der Erkrankung an verschiedenen häufigen Krebsarten.“1
Die Zwiebel birgt viele Überraschungen, mit jeder neuen Schicht kommen neue, spannende Eigenschaften und Erkenntnisse ans Licht. So wollen wir uns der Zwiebel nähern, ihre Schichten ablegen, um nach dem Inneren zu suchen.
Die sieben Häute der Zwiebel
„Es steht im Acker
und hält sich wacker,
hat sieben Häute,
beißt alle Leute.“(Volksmund)
Natürlich hat die Zwiebel mehr als sieben Häute, aber wenn man die braune Schale entfernt und die dünnen Häutchen nicht mitzählt, sind sieben Schichten zählbar. Die „7“ gehört zu den mythologischen Zahlen. Ob im Alltag die 7 Wochentage, die 7 Farben des Regenbogens, im musikalischen Kosmos die 7 verschiedenen Töne einer Oktave, im Volksmärchen die 7 Zwerge hinter den 7 Bergen oder in der Religion z. B. die 7 Worte Jesu am Kreuz, die „7“ ist ein Zeichen für die Zeit, für Entwicklung und vollständige Verwandlung.2
Die Zwiebel, so wie wir sie kennen, bildet ein fast in sich geschlossenes Organ ohne Verhärtung oder Verholzung, voll gespeicherter Kraft. Zwiebeln sind eine Möglichkeit der Schöpfung, Leben durch unwirtliche Wüsten und Steppen zu retten. Mit Einsetzen der Regenzeit oder des Frühlings schießen die Blüten in kurzer Zeit und für kurze Zeit empor.
Vielleicht hat unsere schlichte Küchenzwiebel mehr zu bieten als Mundgeruch und Tränen?
1. Schicht: Zwiebelsorten
„… aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert!“ (Sprichwort)
Das Wort „Zwiebel“ soll sich aus dem spätlateinischen „cepulla“ entwickelt haben. Im St. Galler Klosterplan von 816 heißen die Zwiebeln noch „cepa“. Seit der Anordnung Karls des Großen im „Capitulare de villis“ zum Anbau ist sie in den meisten Haus- und Klostergärten zu finden. So entwickelten sich je nach Region auch verschiedene deutsche Namen wie: Bolle, Fleischlauch, Sipel oder Zwiefel. Auch „Stern der Armen“ wurde sie genannt. Die Zwiebel und andere Lauchgewächse wie Knoblauch, Schnittlauch oder Porree waren je nach Bedarf Gewürz, Gemüse und Arznei. Es gibt inzwischen unzählige Zwiebelvarianten in Bezug auf Farbe (gelb, braun, rot, weiß), Form (rund, oval, flach, länglich) und Größe. Meist werden folgende Arten unterschieden:
Küchenzwiebel (Allium cepa)
- würzige Speisezwiebel, in der Regel mit brauner Schale
- eher scharfer Geschmack, deshalb Vorsicht bei roher Verwendung
- verliert beim Anschwitzen etwas von ihrer Schärfe
Gemüsezwiebel (Allium cepa)
- große, ergiebige Zwiebel mit einem Durchmesser bis zu 15 cm
- auch Metzgerzwiebel genannt
- milder Geschmack, ideal zum Füllen
- geschmort entwickelt sie eine süßliche Note
Rote Zwiebel (Allium cepa)
- kleine Zwiebel mit violettroter Färbung und feinem, etwas süßlicherem Geschmack mit weniger Schärfe
- sieht z. B. im Salat sehr dekorativ aus
- eignet sich auch roh für Salate, Dips und Quark
Lauchzwiebel (Allium cepa)
- kleine Würzzwiebel mit dem feinsten Geschmack, deren Lauch wie Schnittlauch verwendet werden kann
- auch Frühlings- oder Jungzwiebel genannt
- gut roh zu essen, an Schmorgerichten oder in Essig eingelegt; fester Bestandteil der asiatischen Küche
Schalotte (Allium ascalonicum)
- milder, zarter und aromatischer im Geschmack, dafür nicht so geruchsintensiv
- kleiner, schlanker und rötlicher im Aussehen als Küchenzwiebel
- bildet viele Nebenzwiebeln aus, deshalb auch Familienzwiebel genannt
- roh, zum Würzen und Einlegen, für Salate, Saucen, Marinaden und Fischgerichte geeignet
Perlzwiebel (Allium porrum var. sectivum)
- kleine, weiße Zwiebeln ohne Hülle mit weiß schimmernden Häutchen
- Delikatessgemüse, meist sauer eingelegt oder frisch als zarte Beigabe verwendet
Wer in seinem Garten die winterharte Winterheckzwiebel anbaut, kann über mehrere Jahre frisches Zwiebelgrün ernten.3
Tipp: Jede Menge sinnvolle Hinweise zu Bodenbeschaffenheit, Steckzeitpunkt, Bewässerung oder Schaderregern für den Anbau im eigenen Garten finden sich im sehr informativen Büchlein „Zwiebeln – Herkunft, Anwendungen und Rezepte“ von Evemarie und Frank Löser (ISBN: 978-3-910150-87-4).
2. Schicht: Die Pflanze
„Wahrlich, es ist nicht gerade eine Selbstverständlichkeit, diese „Küchenlilien“ (der Gattung Lauch – d. Verf.) mit den Zierden unserer Gartenbeete und Blumenfenster in eine Reihe zu stellen, denn ihre Tugenden, ihre „Düfte“, ihr Aroma haben ganz gewiss nichts Blumiges mehr an sich und rühren weder Schönheitsempfinden noch religiöse Gefühle.“ 4
Die Zwiebel gehört ebenso wie Knoblauch oder Porree zur Gattung Lauch (Allium). Diese wiederum waren Teil der großen Pflanzenfamilie der Liliengewächse (Liliaceae) – heute Alliaceae. Zwiebelgewächse an sich finden sich ausschließlich bei den Lilien- und Amaryllisgewächsen und kommen nur bei Pflanzen mit parallelnervigen Blättern (Monokotyledonen) vor. Weitere uns bekannte, zwiebeltragende Liliengewächse sind die Tulpe, Hyazinthe oder die Lilie. Schneeglöckchen oder Narzisse gehören zu den Amaryllen. Alle Zwiebelgewächse weisen sechsstrahlige Blüten auf.
Das Auffälligste an der Zwiebelpflanze ist die Zwiebel.
Der Spross sitzt auf einem so genannten „Zwiebelkuchen“ auf, der nach unten Wurzeln bildet. Es ist die etwas härtere Scheibe, die die Zwiebel abschließt.
Der zum Licht strebende Stängel erscheint sehr stark gestaucht, so als ob die „Blätter“ als Schalen oder bei anderen Zwiebeln (z. B. Lilie) als Schuppen ineinander geschoben wurden. Jede dicke Zwiebelhaut entspricht somit einem Unterblatt. Durch diese Stauchung wird der Spross zu einem fast abgeschlossenen Organ, das einer Knospe ähnelt.
Die chlorophyllhaltigen Oberblätter sind ebenfalls röhrenförmig gebaut. Sie sind im unteren Bereich zylindrisch und werden zur Spitze zu immer platter.
Im ersten Jahr treiben aus dem Samen diese luftumschließenden Röhrenblätter, mit denen sich das Sonnenlicht sammelt und in einer kleinen wachsenden Zwiebel speichert. Mit dieser Kraft treibt aus der Pflanze im zweiten Jahr ein hohler Blütenstängel weit in die luftige Höhe.
Die sechsstrahligen unscheinbaren Blüten bilden eine endständige, kugelige Scheindolde und können weiß bis purpurn gefärbt sein. Schon wenn die Zwiebel blüht, beginnen sich die röhrenförmig ineinander steckenden Blätter zu verdicken, also Wasser zu speichern.
Nach dem Verblühen bilden sich rundliche Kapseln, die im Innern dreigeteilt sind und die leuchtend schwarzen Samen beinhalten.
Zum Anbau werden im ersten Jahr Steckzwiebeln erzeugt, welche den Winter in frostfreier Lagerung überstehen. Die im Folgejahr ausgepflanzten kleinen Steckzwiebeln speichern durch Blätter und Wurzeln in den Schalen Wasser und Nährstoffe bis sie prall, also ausgereift sind. Die Blüte wird sowohl durch die vorzeitige Ernte der noch nicht ausgereiften Zwiebeln (Steckzwiebeln) im ersten Jahr als auch durch die Temperatur bei der Winterlagerung unterbunden. Die oberen Teile sterben ab und verdorren bis zum Beginn des Zwiebelhalses. An der Zwiebel verdorren nur die äußeren Blätter zu braunen, pergamentartigen Hüllen. Das früher übliche Umbrechen des grünen Zwiebelrohrs wird heute in der Regel im landwirtschaftlichen Anbau nicht mehr praktiziert, weil durch die Verletzung des Zwiebelhalses Wasser oder Mikroorganismen eindringen können. Dies beeinträchtigt Haltbarkeit und Lagerfähigkeit.
In dieser Polarität zwischen erdverbundener, wässriger Zwiebel und luftigen, dem Licht zugewandten Blättern bilden sich die Schwefelverbindungen des ätherischen Öls. Diese gehören eigentlich zur Blüte, sinken aber bei der Zwiebel in die „Wurzel“ ab. Hieran ist die Beziehung der Zwiebel zum Luft- und Wasserelement sichtbar, was sich auch in ihrer Wirkung auf Krankheiten zeigt.
Die Zwiebel ist sozusagen ganz gestauter Spross! Das Blühen wird mit dem geringsten Aufwand abgetan. Die Kraft sammelt sich in der Zwiebel und dort im ätherischen Öl, welches uns zu Tränen rührt. Welch ein Gegensatz zu ihren großblütigen und duftenden Lilienschwestern5
3. Schicht: Gewürz und Gemüse
„Zwiebeln passen zu allem, außer Grießbrei.“6
Die Küchenzwiebel und ihre Artverwandten bereichern den Speiseplan der einfachen Menschen von Anbeginn der Menschheit bis zum heutigen Tag. Ob in der afghanischen Steppe Wildzwiebeln die Speisen würzten oder im alten Ägypten Zwiebeln als Grabbeigabe die Verstorbenen in der jenseitigen Welt stärken sollten oder heute ein französischer Gourmetkoch mit zarten Silberzwiebeln eine Zwiebelsuppe verfeinert, immer kennt die Begeisterung für die kleine Knolle keine Grenzen. Sie wird in Vietnam ebenso verspeist wie in Deutschland, in Tansania wie in Texas und in Indonesien wie in Schweden. Zum ungarischen Gulasch gehören Fleisch und Zwiebeln zu gleichen Teilen, jedes herzhafte Gericht in Indien basiert auf gebratenen Zwiebeln. Zwiebelgerichte sind beliebt. Sie dienen als Hauptgericht oder Beilage, als Gemüse z. B. gefüllt, als Gewürz für Quark und Joghurt, als Suppe, Kuchen, Sauce, Brotaufstrich, roh, gebraten, gedünstet, gekocht, sauer eingelegt.
Zwiebeln sind einfach lecker, aber sie haben einen großen Nachteil. Die scharfen, schwefelhaltigen ätherischen Senföle, die uns beim Schneiden die Tränen in die Augen treiben, sind auch für den Geruch zuständig. Der Körper gibt die Schwefelverbindungen der rohen Zwiebel über Haut und Atem wieder ab. Gleichzeitig hemmen diese Substanzen auf ihrem Weg durch den menschlichen Körper z. B. das Wachstum schädlicher Bakterien. Trotzdem sind die Gerüche nicht jedem angenehm. Trinkt man nach dem Verzehr von roher Zwiebel ein Glas Milch oder isst frische Petersilie, so mildern sich die Ausdünstungen etwas. Anders ist es mit den durch Zwiebeln verursachten Blähungen. Gedünstete oder gebratene Zwiebel wird sowieso meist besser vertragen als rohe. Je länger die geschnittene, rohe Zwiebel z. B. im Salat auf den Verzehr wartet, umso mehr bilden sich Zersetzungsstoffe, die dann blähend wirken.7 Die Schärfe und die blähende Wirkung werden gerade im Salat durch das Beträufeln mit Zitronensaft gemildert. Ist das Verdauungssystem generell eher sensibel und werden weitere Speisen nicht gut vertragen, kann es bis zur Abklärung der Beschwerden eine Hilfe sein, nach dem Essen ein Glas aufgeschlämmte Heilerde zu trinken.
Tipp: Über 100 sehr leckere, internationale, vegetarische und einfache Zwiebelrezepte finden sich in dem Buch „Köstliche Zwiebelküche“ von Sofie Meys (ISBN 3-89566-192-9).
4. Schicht: Wickel
„Zwiebelwickel – Er ist als Hausmittel geradezu unentbehrlich, obwohl manch einer bei der Zwiebelprozedur die Nase rümpfen mag.“8
Neben ihrem Einsatz als Gewürz oder Gemüse bietet die Zwiebel als Hausmittel bei verschiedensten äußerlichen und innerlichen Beschwerden Hilfe. Dabei wird die äußere Anwendung der Zwiebel als Wickel, Säckchen, Socke oder Salbe von der inneren unterschieden.
Kalte Wickel allgemein leiten Körperwärme ab und kühlen heiße Entzündungsherde, warme dagegen führen Wärme zu. Die Durchblutung erhöht sich, Verspannungen lockern sich und Reizstoffe werden abgeleitet.
Zwiebelwickel können warm oder kalt eingesetzt werden. Warme Zwiebelwickel wirken stärker durch die zugeführte Wärme, den angeregten Stoffwechsel und die schneller durch die Haut dringenden Wirkstoffe. Bei Ohrenschmerzen z. B. kann es dadurch zu einer Schmerzverschlimmerung kommen, so dass dann mehr Kühle angezeigt wäre. Die richtige Temperatur der Wickel sollte sorgfältig nach Befund und Verträglichkeit gewählt werden.
Zwiebelwickel finden Verwendung bei Ohrenentzündungen (auf das betroffene Ohr legen), Kopfschmerzen (in den Nacken), Erkältung (Hals, Fußsohle), Husten und Bronchitis (Brustwickel), Blasenentzündung (warm auf den Unterbauch) sowie bei entzündeten Gelenken oder krampfhaft verspannter Muskulatur.
„Nichts kann bei einer Bronchitis den zähen Schleim in den Atemwegen so gut lösen wie ein Zwiebelwickel.“9
Herstellung: je nach Bedarf 1–3 geschälte Zwiebeln in Ringe oder Stücke schneiden, in ein dünnes Baumwolltuch wickeln und mit einem Brett quetschen. Diesen Wickel am Ort der Erkrankung mit Mütze, Schal oder Tuch fixieren (= kalte Anwendung). Meist ist es sinnvoll, den Zwiebelwickel auf einem heißen Topfdeckel über kochendem Wasser oder zwischen zwei sehr heißen Wärmflaschen zu erhitzen und danach aufzulegen.
Bei Säuglingsschnupfen lohnt es sich, ein Tüchlein mit zerkleinerten Zwiebeln ans Bettchen zu hängen, damit sich der Schleim löst und Baby wieder freier durch die Nase atmen kann.10
Neben den Wickeln, Säckchen und Kompressen werden inzwischen aus Zwiebelextrakt Salben hergestellt, welche bei regelmäßiger Anwendung Narbenmissbildungen verringern.
Bei Insektenstichen, Nagelverletzungen, Frostbeulen oder Warzen fördert das Einreiben mit einer aufgeschnittenen Zwiebel die Durchblutung und lindert die Schwellung, den Schmerz oder die Entzündung.
Das Schneiden einer Zwiebel löst den Kopfschmerz besonders bei Schnupfen, weil Schleim und Tränen fließen und die Nase läuft. Beim Erwachsenen genügt es, aufgeschnittene Zwiebeln auf dem Nachttisch zu platzieren, um nachts besser Luft zu bekommen.
Tipp: Wer sich für Zwiebelsocken, aber auch Quarkhalswickel oder Nackenkompressen mit Meerrettich interessiert, dem sei das sehr praxisnahe Buch „Wohltuende Wickel“ von Maya Thüler (ISBN 3-908539-01-3) „ums Herz gewickelt“.
5. Schicht: Volksheilkunde
Paracelsus war der Überzeugung, dass Zwiebeln so viel wert sind, wie eine ganze Apotheke.
Seit Jahrhunderten erleichtert die Zwiebel den harten Alltag der Menschen. Ob als schneller Helfer beim ersten Frühlingsschnupfen, als Schleimlöser bei Bronchitiden, als Bestandteil einer Frühstückssuppe gegen Verstopfung oder als Stärkung des Stoffwechsels nicht nur beim Diabetiker, immer wird die Zwiebel entweder roh gegessen oder als Sirup oder Saft, Tee oder Tinktur eingenommen.11
Aufgrund ihrer Inhaltsstoffe richtet sich die Hauptwirkung der rohen Zwiebel auf die Erkrankung der Atem- und Harnwege sowie auf Darminfektionen, da sie Krankheitserreger einschließlich Würmer ausleitet. Weiterhin senkt sie leicht den Blutdruck und den Blutzuckerspiegel. Gekochte Zwiebeln haben eine regulierende Wirkung auf den Magen- und Darmtrakt.12 Sie steigern den Appetit und beugen altersbedingten Gefäßveränderungen vor. Letztere Wirkung ist zwar nicht ganz so stark wie beim Knoblauch, doch die Geruchsbelästigung ist dafür geringer.13
Am bekanntesten ist der Zwiebelsirup bei Husten: 1–3 klein geschnittene Zwiebeln sowie Zucker oder Honig werden benötigt. In einem Gefäß wird eine Schicht gehackte Zwiebel mit einem Esslöffel Zucker bestreut, dann folgen Schicht um Schicht Zwiebeln und Zucker. Alles eine Stunde oder länger zugedeckt ziehen lassen und den entstandenen Sirup teelöffelweise dem Kranken verabreichen. Der Sirup sollte täglich frisch bereitet werden.14 Dieser frische Zwiebelsirup wirkt blutreinigend und bei allen Erkältungskrankheiten, sowie Verstopfung und allergischen Reaktionen der Atemwege.7
Zur Stärkung des Immunsystems – sowohl zur Krankheitsvorbeugung als auch zur begleitenden Therapie – empfiehlt sich ein etwas abgewandelter Zwiebelsirup: Eine große Zwiebel wird mit Anissamen, Honig und wenig Wasser zu Sirup gekocht und die Flüssigkeit abgegossen und schluckweise getrunken.15
Alfred Vogel, der bekannte Schweizer Naturarzt, empfahl seinen Patienten bei Verstopfung folgende Suppe zum Frühstück:
„Frisch gemahlener, reiner Weizenschrot wird morgens zur Suppe gekocht. Als Beilage dient eine kleine, zerschnittene Zwiebel und eine zerdrückte Knoblauchzehe. Nach dem Kochen wird noch etwas fein geschnittene Petersilie und ein Löffel reines Olivenöl beigegeben. Dieses einfache Frühstück hat schon manchen von seiner Darmträgheit befreit. In hartnäckigen Fällen kann noch gemahlener Leinsamen oder Flohsamen beigegeben werden.“16
Auch bei Wasseransammlungen in Beinen und Bauch aufgrund von Kreislauf- und Nierenerkrankungen kann die Zwiebel Hilfe leisten. Eine dreitägige Zwiebelkur unterstützt die Herz- und Nierentätigkeit, so dass das Wasser abgeführt werden kann. Dazu müssen pro Tag 10–15 oder mehr mittelgroße Zwiebeln roh, gedünstet oder gebraten verzehrt werden, um eine ausreichende Wirkung zu erzielen.17
6. Schicht: Inhaltsstoffe und Forschung
„Zwiebel – Ist sie zu stark, ist der Krebs zu schwach.“18
Neben dem Wasser- und dem Luftelement zeigt sich bei der Zwiebel eine starke Beziehung zur Wärme. Eine rohe Zwiebel brennt auf der Zunge und beim Schneiden tränen die Augen. In der Natur ist Wärme oft mit Prozessen verbunden, wo schwefelhaltige Stoffe aus der Tiefe der Erde an die Oberfläche treten. Vulkane oder schwefelhaltige Quellen oder das beim Verbrennen von Schwefel entstehende und stechend riechende Schwefeldioxid zeigen die Wärmeprozesse deutlich. Im Körper werden diese Prozesse dem Stoffwechsel zugeordnet, dessen Verwandlungsvorgänge sich vorrangig durch die Verdauung zeigen. Schwefelhaltige Pflanzen helfen oft, den Stoffwechsel anzuregen. Dabei sind die Lauchgewächse nicht die einzigen Pflanzen, die Schwefelverbindungen enthalten. Senf macht Fleisch bekömmlicher oder Meerrettich erhitzt die Atemwege massiv.19
Der typische Zwiebelgeschmack entsteht also durch eine ganze Palette von organischen Schwefelverbindungen, den Senfölen. 1–5 % ihres Trockengewichtes machen die nicht-proteinogenen schwefelhaltigen Aminosäuren aus. Eine davon ist eine Vorstufe des stark riechenden Allicins. Beim Zerschneiden der Zwiebel wird durch Zerstören der Zellen das Enzym Alliinase frei, welches die geruchlose Vorstufe in das stark riechende und uns zu Tränen rührende Allicin verwandelt. Darum ist es sinnvoll, beim Zwiebelschneiden ein sehr scharfes Messer zu verwenden, damit so wenige Zellen wie möglich zerstört werden. Allicin regt alle inneren Schleimhäute und Verdauungsdrüsen an. Damit verbessern sich die Magen-Darmfunktionen, Leber, Galle und Bauchspeicheldrüse werden unterstützt und Nieren und Blase gestärkt. Gleichzeitig wirken die Senföle gegen Fremdbakterien, Viren und Pilze und stärken eine gesunde Darmflora. Sie senken das Zusammenkleben der Blutplättchen und verbessern damit die Fließeigenschaften des Blutes. Sie wirken schleimlösend, fördern das Abhusten, wirken entkrampfend und lindern Asthma.20
Weitere Aminosäuren, die in der Zwiebel und anderen Gemüsen enthalten sind, sowie deren Aufgaben im Körper zeigt die folgende Tabelle.21
Aminosäure | Aufgaben im Körper | Weitere Gemüse |
---|---|---|
Cystin | Bildung der roten Blutkörperchen, Milchdrüsen | Schnitt- und Knoblauch, Rettiche, Kohlsorten |
Histidin | Glykogenbildung in der Leber (= Zuckerstoffwechsel), Bestandteil des Hämoglobins und der Spermien | Porree, Knoblauch, Rettiche, Meerrettich |
Serin | Reinigung der Schleimhäute, besonders der Lungen und Bronchien | Porree, Knoblauch, Rettiche, Meerrettich, Rüben, Sellerie |
Darüber hinaus enthalten Zwiebeln etwa 10 % Kohlenhydrate, weshalb sie, besonders nach dem Braten, süß schmecken. Doch damit nicht genug. Die kleinen Kraftpakete enthalten reichlich Vitamin C, aber auch A, B-Vitamine und E, sowie die Minerale und Spurenelemente Kalium, Kalzium, Magnesium, Phosphor, Eisen, Jod, Selen, Zink und Mangan. Und die Zwiebel ist das Gemüse mit dem höchsten Quercetingehalt! Das Flavonoid Quercetin steht sehr im Focus der Krebsforschung. Es scheint eine Feindschaft zwischen entarteten Zellen und dem Quercetin zu herrschen. Quercetin verlangsamt das Wachstum von Tumorzellen, die Metastasenbildung wird gehindert und das Risiko, einen Tumor zu entwickeln, sinkt mit der Steigerung des Zwiebelkonsums. Immer mehr Studien besonders in Italien und den USA bestätigen diese Ergebnisse. Weitere Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass der Cholesterinspiegel abnimmt, das Herzinfarktrisiko verringert sich, eine leichte Blutdrucksenkung tritt ein, die Knochendichte erhöht sich und damit sinkt das Osteoporoserisiko, Allergien verringern sich, da die Freisetzung von Histamin gehindert wird und der Blutzucker wird gesenkt.22
7. Schicht: Homöopathie
Allium cepa „deckt … mehr Symptome der gewöhnlichen Erkältung ab als jedes andere Mittel …“23
„Allium cepa“ – der lateinische Name der Küchenzwiebel ist zugleich auch der Name des homöopathischen Präparates. Die potenzierte Zwiebel steht leider nicht im homöopathischen Rampenlicht. Sie ist eine Arznei für die beginnende Erkältung. Aber hier steht sie in einer Reihe mit den großen Akut- und Entzündungsmitteln wie Aconitum, Belladonna, Ferrum phosphoricum oder Nux vomica. Der Grund dafür ist uns allen schon begegnet. Das Ähnlichkeitsprinzip der Homöopathie besagt, dass ein Mittel gegen die Symptome hilft, die es am Gesunden erzeugt. Jedem haben beim Zwiebelschneiden schon einmal die Augen getränt und die Nase lief oder man musste niesen. Beginnt eine Erkältung mit Fließschnupfen, eventuell Augentränen und Niesreiz, so wäre der Einsatz von Allium cepa in der Potenz D6 hilfreich. Auch bei Heuschnupfen mit ähnlichen Symptomen lohnt sich der Versuch, zumindest für die akuten Beschwerden. Kalte Luft verschlechtert das Befinden und der Schnupfen kann die Atemwege abwärts zum Kehlkopf oder in die Bronchien wandern. Der Husten reizt den Kehlkopf zu Schmerzen oder er treibt die Tränen aus den Augen.24
Doch wenn der Ruf nach Pause bei einer Erkältung ungehört verhallte und der Schnupfen unterdrückt wurde, so kann sich ein chronischer Schnupfen mit Bronchitis bilden. Und nach der nächsten unterdrückten Erkältung gibt’s den Hexenschuss! Auch dann ist Allium cepa gefragt, um die Sekretbildung anzuregen und Bewegung in die Verstockung zu bringen. Die Rückenverspannungen reagieren dann gut auf eine parallele Einnahme von Magnesium phosphoricum D6, dem Schüßler Salz Nr. 7.25
Allium cepa ist ein sehr wirksames homöopathisches Akutmittel, das einen festen Platz in der Hausapotheke haben sollte.
Tipp: Ein kleines, nützliches, auch für den homöopathischen Laien verständliches Mininachschlagwerk ist das von dem Homöopathen Sven Sommer geschriebene Büchlein: „Homöopathie für den Hausgebrauch“ (ISBN 3-7742-3114-1).
Im Zentrum
„Wenn einen statt der Pest Grippewellen bedrohen, kann man das Übel – ganz im Sinne des Paracelsus – mit einer Knoblauch- oder Zwiebelkur abzuwenden oder die Beschwerden mit diesen beiden Breitbandantibiotika aus der Küche zu lindern versuchen.“26
Die Schalen der Wunderknolle „Zwiebel“ sind nun gefallen. Es bleibt aber noch die Frage nach den anderen Lauchgewächsen und die Stellung der Zwiebel innerhalb dieser Familie.
Die Familie der Lauchgewächse (Alliaceae) umfasst zirka 500 Arten, wobei die bekanntesten Vertreter, „die großen Fünf“: die Zwiebel, der Knoblauch, der Porree, der Bärlauch und der Schnittlauch sind. Wichtigste Wirkstoffe aller Pflanzen dieser Gattung sind das antibiotische Allicin sowie das Flavonoid Quercetin. Die Senföle und Schwefelverbindungen machen sich auch bei den großen Fünf bemerkbar. Sie werden bei erkalteten Zuständen eingesetzt, die zu Erwärmung und Bewegung gebracht werden sollen. Das Spannende ist, dass sie ihre Heilwirkung schon als Nahrungsmittel entfalten und sie damit einfach anwendbar sind. Gleichzeitig unterstützen sie noch die Verdauung und lindern diesbezügliche Beschwerden. In nachfolgender Tabelle sollen einmal die wichtigsten Wirkrichtungen der fünf Lauchgewächse zusammengefasst werden, um einen kleinen Überblick zu vermitteln:
Zwiebel
- Schleimhäute der Atemwege
- antibiotisch
- Einfluss auf Tumorzellen (höchster Quercetingehalt)
Knoblauch
- Einfluss auf Fließeigenschaften des Blutes (höchster Allicingehalt)
- Verringerung von Blutfetten + Blutdruck (hoher Gehalt an Germanium, Mangan, Selen)
- antibiotisch
Porree
- entwässernd, bei Blasenentzündung (höchster Kämpferolgehalt)
- ausleitend z. B. bei Gicht
Bärlauch
- fördert Blutzirkulation
- „Verjüngungsmittel“ (höchster Vitamin C- und Eisengehalt)
- antibiotisch
- bei Darmpilzen als Begleittherapie
Schnittlauch
- stärkend und aufbauend (höchster Kalzium- und Magnesium-Gehalt)
- erhöht Widerstandkraft der Schleimhäute von Augen, Ohren, Nase und Hals (höchster Vitamin A-, B2-, B6- und E-Gehalt)
- gegen Erschöpfung (hoher Eisengehalt)
Die Lauchgewächse sind Heil-, Hilfs- und Nahrungsmittel, ja man kann sogar sagen Genussmittel zugleich.
Die Schöpfung bietet dem Menschen einen Reichtum an einfachen, aber wirkungsvollen „Arzneien im Kochtopf“. Doch nur was der Mensch weiß, sieht er auch. So freuen wir uns auf das nächste Rührei mit frischem Schnittlauch, auf Knoblauchspaghetti und Porreeauflauf und natürlich auf echten, ungarischen Gulasch, schön scharf und mit ganz viel Zwiebeln!
Die sieben Zwiebelschichten haben wir Haut für Haut entfernt. Wir fanden in der Mitte keinen Kern. Aber stattdessen entfaltete sich vor uns eine auf der ganzen Welt bekannte, in allen Klimazonen außer vielleicht den Polargebieten genutzte und finanziell für jeden erschwingliche Pflanze mit großer Kraft. So empfinden wir Dankbarkeit, dass wir Menschen mit der Zwiebel eine einfache, aber wirkungsvolle und alltagstaugliche Hilfe für schöne und schwierige, für gesunde und kranke Tage besitzen dürfen.
2015
-
Aggarwal, Dr. Bharat: Heilende Gewürze, Narayana Verlag GmbH, Kandern, 2014, S. 414↩
-
Held, Wolfgang: Alles ist Zahl, Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart, 2011↩
-
Löser, Evemarie und Frank: Zwiebeln – Herkunft, Anwendungen und Rezepte, Demmler Verlag, 2010↩
-
Grohmann, Gerbert: Die Pflanze, Salumed Verlag GmbH, Berlin, 2013, S. 333↩
-
Grohmann, Gerbert: Die Pflanze, Salumed Verlag GmbH, Berlin, 2013↩
-
Löser, Evemarie und Frank: Zwiebeln – Herkunft, Anwendungen und Rezepte, Demmler Verlag, 2010, S. 72↩
-
Meys, Sofie: Köstliche Zwiebelküche, pala-Verlag, Darmstadt, 2003↩↩
-
Künzle, Johann: Chrut und Unchrut, AT Verlag, Baden und München, 2008, S. 128↩
-
Künzle, Johann: Chrut und Unchrut, AT Verlag, Baden und München, 2008, S. 128↩
-
Thüler, Maya: Wohltuende Wickel, Maya Thüler Verlag, Worb (CH), 2003↩
-
Vogel, Alfred: Der kleine Doktor, Wilhelm Heyne Verlag, München, 1994↩
-
Autorenkollektiv: Heilpflanzen, Neuer Kaiser Verlag, Klagenfurth, 2000↩
-
Mayer, J. G., Uehleke, B., Saum, K.: Handbuch der Klosterheilkunde, Verlag Zabert Sandmann GmbH, München, 2002↩
-
Rippe, O., Madejsky, M.: Die Kräuterkunde des Paracelsus, AT Verlag, Baden und München, 2006↩
-
Sonnenschmidt, Rosina: Endokrine Drüsen, Narayana Verlag GmbH, Kandern, 2010↩
-
Vogel, Alfred: Der kleine Doktor, Wilhelm Heyne Verlag, München, 1994, S. 36↩
-
Naef, Ruedi: Frühlingszwiebeln – ein Gesundbrunnen, aus Natur & Heilen 05/1989, Verlag Natur & Heilen, München↩
-
Aggarwal, Dr. Bharat: Heilende Gewürze, Narayana Verlag GmbH, Kandern, 2014, S. 413↩
-
Sommer, Markus: Heilpflanzen, Verlag Freies Geistesleben & Urachhaus GmbH, Stuttgart, 2011↩
-
Münzing-Ruef, I.: Kursbuch gesunde Ernährung, Wilhelm Heyne Verlag, München, 2000↩
-
Sonnenschmidt, Rosina: Blut, Narayana Verlag GmbH, Kandern, 2009↩
-
Aggarwal, Dr. Bharat: Heilende Gewürze, Narayana Verlag GmbH, Kandern, 2014↩
-
Vonarburg, Bruno: Homöotanik Band 2, Karl F. Haug Verlag, Stuttgart, 2005, S. 352↩
-
Vonarburg, Bruno: Homöotanik Band 2, Karl F. Haug Verlag, Stuttgart, 2005↩
-
Sonnenschmidt, Rosina: Die Sinnesorgane, Narayana Verlag GmbH, Kandern, 2011↩
-
Rippe, Olaf, Madejsky, Margret: Die Kräuterkunde des Paracelsus, AT Verlag, Baden und München, 2006, S. 208↩
-
Süßmuth, Astrid: Gesundkost nach dem Zwiebelprinzip, aus Naturheilpraxis 4/2013, S. 5-10, Richard Pflaum Verlag GmbH & Co. KG, München, 2013↩